Blick in die Zukunft:Mut zur offenen Tür

Lesezeit: 2 min

Wir hier drinnen und ihr da draußen - eine Formel, die für die Monacensia Vergangenheit ist. (Foto: Catherina Hess)

Bei "Public!" in der Stadtbibliothek geht es um kulturelle Einrichtungen ohne Barrieren

Von Barbara Hordych

Einen Rekord konnte die Münchner Stadtbibliothek im vergangenen Jahr verbuchen: mehr als fünf Millionen Besucher. Ein Indiz dafür, dass Bibliotheken nicht nur Aufbewahrungsorte für Bücher sind, sondern als öffentliche Bildungsräume mit 7000 Programmen im Jahr wahrgenommen werden. "Wenn Institutionen wie die FC-Bayern-Erlebniswelt oder Schloss Neuschwanstein so viele Besucher hätten, was würden die daraus machen - die Bibliotheken müssen nicht defensiv sein, sondern könnten schillern und selbstbewusster sein", sagt Arne Ackermann, Direktor der Münchner Stadtbibliothek. Um so wichtiger ist es, sich zu überlegen, wie dieser stark frequentierte öffentliche Raum künftig gestaltet werden kann. Die von Anke Büttner kuratierte Veranstaltung "Public! Debatten über Bibliotheken und urbane Öffentlichkeit" versuchte im Austausch mit nationalen und internationalen Referenten Antworten zu finden. Und knüpfte damit an "public 2017" an, das im vergangenen Jahr die veränderte Lebenswirklichkeit in den Städten und die Renaissance der Bibliotheken als Stätten der Kultur, des Wissens und der Demokratie in den Vordergrund gestellt hatte.

"Wir sind viel zu geschlossen", konstatierte Kurt Eichler, der ehemalige Direktor der Kulturbetriebe Dortmund. "Dabei wollen die Leute raus, eben weil sie so viel im Büro und Zuhause sitzen. Doch wenn sie eine Kultureinrichtung betreten, ist spätestens an der zweiten Tür Schluss". Das sei in England ganz anders. "Da ist es möglich, am Vormittag ins Theater zu gehen und bis zur Bühne vorzustoßen, wo vielleicht gerade eine Seniorengruppe probt." Überlegungen zu einem barrierefreien Übergang ohne Bezahlschranke zwischen öffentlichem Raum und Kulturinstitutionen zogen sich wie ein roter Faden durch die Diskussionen der Referenten und die anschließende Diskussion, die von Frauke Burgdorff zwei Tage lang hervorragend moderiert wurde: Nicht von ungefähr baut sie als Raumplanerin seit mehr als 20 Jahren Brücken zwischen Stadtentwicklung und Baukultur, Pädagogik und Architektur, Immobilienwirtschaft und Gemeinwohl. Jederzeit war sie bereit und in der Lage, die Beiträge der Vortragenden mit spontanen Wortmeldungen aus dem Publikum zu verknüpfen. Darunter Gäste wie Gasteig-Chef Max Wagner oder Elisabeth Tworek, Leiterin der Monacensia. Die von ihren "ausgezeichneten Erfahrungen" mit einem neuartigen Konzept ohne Bezahlschranken berichtete. Zum 2016 wieder eröffneten Literaturarchiv haben die Besucher freien Eintritt, können durch die Ausstellungsräume im Erdgeschoss flanieren und ins Café gehen - die Trennung zwischen Bibliothek und öffentlichem Raum ist aufgehoben. "Mehr als ein Verteilungsraum" solle denn auch das Erdgeschoss im neuen Gasteig darstellen, meint Max Wagner, der Chef des Kulturzentrums. 450 Millionen Euro stehen für die Generalsanierung des Gasteigs zur Verfügung, dazu gilt es, ein Interimsquartier von 27 000 Quadratmeter in Sendling zu gestalten. Eine willkommene Gelegenheit, in Zukunft wenig schmeichelhafte Zuschreibungen wie "Kulturbunker" und "Trutzburg" endlich abzuschütteln.

"Elastische Räume brauchen elastische Institutionen", in denen die Mitarbeiter nicht mehr "territorial" denken: Die Zeiten von "hier drinnen ist mein Büro, und ihr steht da draußen" seien vorbei, sagt Kurt Eichler in der Abschlussdiskussion. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch Bernd Bienzeisler, der Projektleiter des Szenarios "München 2040plus", erarbeitet im Auftrag des Fraunhofer-Instituts in Stuttgart. In dem unter anderem tiefgreifende Auswirkungen von Digitalisierung und Automatisierung auf den Arbeitsmarkt und die Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich vorausgesagt werden. Den Ansatz der Zukunftsschau bemängelte die "Public!"-Kuratorin Anke Büttner aufgrund des rein betriebswirtschaftlichen Blicks allerdings als "zu merkantil". Insgesamt fehlte ihr darin die Berücksichtigung der Kultur für die Stadtgesellschaft. "Die Bibliotheken sehe ich als entspannte Orte, losgelöst von diesem äußeren Druck."

© SZ vom 13.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: