Bamberg:Zwei Welten

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Roland Schimmelpfennigs "Das schwarze Wasser" am E.T.A. Hoffmann-Theater aufgeführt

Von Florian Welle, Bamberg

Wie durchlässig ist unsere Gesellschaft? Besteht Chancengleichheit? Wie ist es um die Integration bestellt? Das sind nur einige der Fragen, die "Das schwarze Wasser" von Roland Schimmelpfennig stellt. Allerdings nicht laut und direkt, sondern implizit und leise. "Heimat" hat Sibylle Broll-Pape ihre erste Spielzeit als Intendantin des E.T.A. Hoffmann-Theaters überschrieben. Nun hat sie Schimmelpfennigs 2015 uraufgeführtes Werk auf die große Bühne gebracht, ihre zweite Regiearbeit nach Hebbels "Die Nibelungen". Dass es angesichts der Flüchtlingskrise aktueller denn je ist, muss nicht eigens erwähnt werden.

Ein legitimes Mittel, um etwas klar zu machen, ist die Vereinfachung. Roland Schimmelpfennig zeichnet schwarz-weiß, keine Frage. Ein Schwimmbad, irgendwann Anfang der neunziger Jahre. Hier trifft eines Nachts eine Gruppe deutscher Jugendlicher aus gutbürgerlichen Verhältnissen auf ein paar Gastarbeiterkinder. Statt sich zu streiten, feiern sie miteinander, kommen sich näher. Zwanzig Jahre später begegnen sich einige wieder. Aus Frank, Freddi, Cynthia sind Politiker, Anwälte und Schulleiter geworden. Leyla, Murat und die anderen haben jetzt einen "Migrationshintergrund" und arbeiten an der Supermarkt-Kasse, in der Döner-Bude.

"Das schwarze Wasser" erzählt einen Sommernachtstraum und spinnt ihn illusionslos weiter. Ist Märchen, Teenie-Romanze und Sozialstudie in einem. Ob er Schimmelpfennigs Sicht auf zementierte, bildungsferne und -nahe Verhältnisse teilt, muss jeder für sich entscheiden. Auch Sibylle Broll-Papes Inszenierung gibt keine Antworten. Stattdessen zaubert sie einen melancholischen Abend auf die Bühne. Durchaus auch als Kontrast zu den jüngsten Premieren, dem schlagerseligen "Krähwinkel" und dem wahnwitzigen "Die Elixiere des Teufels".

Die Aufführung hat den Blues. Als einzige Extravaganz hat Broll-Pape einen Live-Musiker engagiert. Jan Schöwer, ganz in schwarz gekleidet, begleitet die Schauspieler mit der Gitarre, greint von Herz und Schmerz. Dazu hängen von der Decke ein paar Tafeln herunter - Projektionsflächen für Videoschnipsel, in denen Sterne funkeln, Wasser plätschert, Straßenlaternen leuchten. Das klingt kitschig, ist es aber wundersamerweise nicht. Ansonsten ist die Bühne leer; Broll-Pape vertraut auf den Text und ihre sechs jungen Schauspieler in stilisierten Allerweltsklamotten.

Das ist das Tolle am Bamberger Theater und seinem größtenteils neu zusammengestellten Ensemble. Mit jeder Inszenierung entdeckt man Schauspieler. Diesmal die schnodderige Anna Döing. Sie spielt mal die bravfreche Aishe, mal die piefige Mutter von Frank. Oder die hochaufgeschossene, lässige Ronja Losert, die als Leyla, schwer in Frank verknallt, überzeugt. Ein scheues Reh, das immer ahnt, dass diese romantische Nacht nicht wiederkommen wird. Sie genießt und ist doch verzweifelt. Pascal Riedel ist jener Frank. Riedel kennt man noch vom Münchner Volkstheater. Wie dort Christian Stückl hat auch Sibylle Broll-Pape viele talentierte Jungschauspieler ins Ensemble geholt. Das E.T.A. Hoffmann-Theater könnte so etwas werden wie die fränkische Variante des Münchner Volkstheaters.

© SZ vom 01.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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