Ballett:Überwältigend

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Ein Traumpaar: Jonah Cook und Ksenia Ryzhkova in "Spartacus"

Von Eva-Elisabeth Fischer, München

"Motion is emotion", so die Devise des amerikanischen Choreografen Alwin Nikolais. Im sowjetischen Ballett hätte so einer, als Formalist desavouiert, keinen Fuß auf den Boden bekommen. Seinerzeit setzte landesweit Juri Grigorowitsch Maßstäbe, indem er für die extremsten, stets eindeutigen Gefühlslagen die maximale expressive Bewegung suchte.

"Spartacus", sein Glanzstück, die sozialistisch wasserdichte Heldensaga um den gleichnamigen Gladiator und Anführer eines Sklavenaufstands gegen den dekadenten Römer Crassus, flutet derzeit nicht nur den Spielplan des Bayerischen Staatsballetts, sondern überflutet bei jeder Vorstellung jede(n) Einzelne(n) mit drangvoller Seelenbewegung. An Heiligdreikönig sind es deren zwei - eine unvorstellbare Tour de force für die Kompanie, ein Akt der Überwältigung für empfindsame Gemüter: Die eine oder andere Dame weint beim tosenden Schlussapplaus.

Es sind dies genussvolle Tränen, denn in der Titelrolle windet sich, wie schon bei der Premiere, Osiel Gouneo in die Herzen aller, schwer von Gemüt, aber mühelos in atemberaubenden Sprüngen und blitzenden Pirouetten über die Bühne federnd. Ihm zur Seite wiederum die innig ihn umfangende Ivy Amista als Phrygia. Diesmal ist nicht der Star-Ballerino Sergei Polunin Gouneos Widerpart, sondern der cremebleiche Jonah Cook, dessen Herrscherlichkeit sich in sinnlicher Eleganz manifestiert. Cook, hart bemuskelt, schraubt sich fest in der breitbeinigen Siegerpose. Unerbittlich fällt von so einem die Rache für erlittene Kränkung aus. Er widmet sich mit derselben hochmütigen Allüre seinem Gegner wie auch seinen Huren. Die laszivste, schillerndste ist Aegina, die bildschöne und nicht minder edle Ksenia Ryzhkova, die ihn in einem halsbrecherischen Pas de deux umgarnt. Ein Traumpaar (Ballettchef Igor Zelensky hat zweifellos ein Händchen für Paarungen). Cook, als Tänzer steil auf dem Weg nach oben, gerät da an die Grenzen seiner Kräfte. Die einzigen Misstöne dieses Nachmittags allerdings kommen aus dem Orchestergraben - vom kieksenden Blech.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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