Ballett:Getanzte Sprache

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Grandios: Forsythes "Approximate Sonata" in Nürnberg

Von Rita Argauer, Nürnberg

Es gilt als Ehre für kleinere Ballett-Kompanien, Lizenzen für berühmte Choreografien zu bekommen. Augsburg war so etwa gerade stolz darauf, einen Balanchine ins Programm nehmen zu können. Und Nürnberg hat sich nun erfolgreich um ein Stück von William Forsythe bemüht. Die "Approximate Sonata", ein postmodern verspielter und gleichzeitig technisch höchst anspruchsvoller Hybrid aus klassischer Pose und deren moderner Brechung, den die Tänzer des Ensembles wunderbar umzusetzen wissen. Dass der Abend, den das Staatstheater Nürnberg mit dem Wort "Kammertanz" überschreibt, jedoch so außergewöhnlich ist, liegt daran, dass sich Ballettdirektor Goyo Montero nicht auf Forsythe ausruht. Vielmehr entspinnt er von Forsythe ausgehend einen dramaturgisch klugen und tänzerisch berückend erfüllenden Abend, der die ästhetische Entwicklung des Tanzes von den Neunzigerjahren bis heute ausleuchtet und gleichzeitig sinnlich bleibt.

Die zwei um Forsythe herum gesetzten Stücke haben dabei einen klaren Fokus auf der Musik. Entgegengesetzt zu dem etwas überstrapazierten elektronischen Geblubber, das zeitgenössischen Tanz derzeit oft mehr untermalt als gleichwertig prägt, wird hier live auf der Bühne gespielt und die Verquickung von Musik und Tanz in fast altmodischer Ernsthaftigkeit hochgehalten. Denn sowohl in der Uraufführung von Goyo Monteros "Four Quartets", als auch in Christians Spucks "Das siebte Blau" dient die Musik als ästhetische und inhaltliche Grundlage der Choreografie. Spucks Stück aus dem Jahr 2000 stellt dabei Schuberts Streichquartett "Der Tod und das Mädchen" inhaltlich sanft und auch humoristisch nach. Die Musik liefert - ähnlich Martin Schläpfers Choreografie auf Mahlers siebte Symphonie - einen narrativen Rahmen, den Spuck mit zeitgenössischem Bewegungsvokabular, aber formal in klassischen Gruppenchoreografien, nachzeichnet.

Montero geht aber heute noch ein Stück weiter. Er hat in "Four Quartets" einen viel strukturelleren Zugang zur Musik gewählt und spiegelt mit seinen Tänzern das stimmliche Zusammenspiel kammermusikalischer Kompositionstechnik. Brahms' Sextett, op. 18, Schuberts einziges Streichquintett, sowie die Rezitation von T. S. Eliots Gedichts "Burnt Norton" in einer Sprachaufnahme des Dichters selbst, bilden die Grundlage für eine höchst musikalische Abbildung von Musik und Sprache in Tanz, die weder ins plumpe Nachstellen, noch in allzu abstrakte Beliebigkeit kippt. Das der Kammermusik entliehene, zeitgleiche Zusammenspiel unterschiedlicher Bewegungen, die einen gleichen Puls fühlen, legt sich schmeichelnd in die Musik, die live vom Apollon Musagète Quartett musiziert und durch verschiebbare Bühnenelemente ins Bühnenbild und die Choreografie eingebunden wird. Auch Dank seines guten Ensembles gelingt Montero so eine neue ästhetische Geschlossenheit, die im Zusammenspiel mit Schluck und Forsythe ein künstlerisches und dramaturgisches Niveau präsentiert, an das gerade nicht viel heranreicht.

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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