Augsburg:Alles andere als öde Lechkloake

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Deutsches Mozartfest Augsburg eröffnet mit Belcea Quartet

Von Rita Argauer, Augsburg

Die Besucher klassischer Konzerte sind Gewohnheitsmenschen. Das weiß man auch in Augsburg, wo am Wochenende das Deutsche Mozartfest begann. Doch mit dem üblich übellaunigen Thomas Bernhard im Rücken, der die "öde Lechkloake" in seinem Stück "Macht der Gewohnheit" genauso aburteilt wie die Aufführungstradition klassischer Musik, sucht man jetzt dort am Lech den Ausbruch aus dem Gewohnten. Genauer durchbricht das Belcea Quartet am Samstag im kleinen Goldenen Saal die Aufführung von Beethovens Streichquartett Nr. 13 mit Sätzen einzelner Werke der Moderne.

Es ist spürbar, wie das Publikum jedes Mal deutlich unruhiger wird, wenn etwa auf den Kopfsatz nicht das Presto, sondern der zweite Satz aus Schostakowitschs Quartett Nr. 15 folgt. Das weiß man zum Zeitpunkt der Aufführung allerdings nicht - die Namen eingefügten Stücke, von Samuel Barber, Alban Berg, György Kurtág oder Thomas Adès werden erst nach dem Konzert verraten. Man hört also erst einmal kühl sägende Striche, die die Stimmung im Saal kippen lassen und den Beethoven aus der Form reißen. Im Anschluss wirkt der zweite Satz neu, ja ungewohnt. Und das ist wohl der schönste Effekt dieser Wechselspiele: Das Belcea Quartet, das impulsiv und mit Lust an klanglichen Extremen musiziert, lenkt die Gewohnheit und das Konservative, das klassische Konzerte oft haben, charmant und gleichzeitig radikal immer wieder um. So wirkt Beethovens dritter Satz nach Samuel Barbers Adagio aus dem Quartett, op. 11, erfrischend: Die klassische Form zerhaut hier das Strebende und kühlt den Kitsch ab. Pawel Szymanskis Stück Nr. 5 hingegen wirkt mit seiner hart kreischenden ersten Geige wie ein Aufbäumen gegen die resignative Ruhe der Beethovenschen Cavatina.

Ganz ohne Verluste funktioniert ein solches Experiment natürlich nicht. Das Konzert wird lang und erfordert viel Aufmerksamkeit und Bewusstsein all diese Wendungen mitzugehen. Und Beethovens Linien und die Konsequenz der einzelnen Sätze zueinander verlieren sich. Dennoch tut es gut, das Gewohnte ab und an anders zu hören. Bis zum Sonntag, 13. Mai, führt man das beim Mozartfest in Augsburg noch fort. Etwa mit der Blockflötistin Dorothee Oberlinger und Renaissance-Werken von Händel über Rameau zu Couperin. Oder eher Folk-musikalisch angehaucht bei Peter Simonischek mit der Musibanda Franui. Und zum Abschluss geht es dann um die höchste Macht: In der Basilika Sankt Ulrich und Afra spielt die Akademie für Alte Musik Berlin mit dem BR-Chor Musik beider namensgebenden Mozarts: Leopolds Litanei in Es-Dur und Wolfgang Amadeus' große c-Moll-Messe.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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