Little Britain:Ausgekocht

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Viermal die Woche die TV-Taste mit der Nummer 2: Unser Kolumnist ist süchtig geworden. Dabei war er lange so gut wie clean.

Christian Zaschke, London

Bei einer britischen Kochshow Namens "Masterchef - The Professionals" lernt man rein gar nichts. (Foto: iStockphoto)

Ich koche gern und oft, und wenn ich fertig bin, sieht die Küche aus, als sei sie von einem berühmten Schlagzeuger aus den Siebzigern verwüstet worden. Anschließend räume ich sie selber auf. Damit könnte das Thema Kochen erschöpfend behandelt sein. Seit Kürzerem bin ich allerdings abhängig von einer Kochsendung namens "Masterchef - The Professionals". Es handelt sich dabei um eine Kochshow, bei der man nicht mal besser kochen lernt. Man lernt da gar nichts. Unbekannte Profiköche kochen gegeneinander an. Ein semibekannter Profikoch mit zwei Sternen entscheidet, wer gewonnen hat.

Jeden Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag greife ich zur Fernbedienung und drücke genau zur richtigen Zeit auf die Taste mit der Ziffer 2, um die nächste Folge anzusehen. "Masterchef - The Professionals" läuft zum Glück nicht von Freitag bis Sonntag, was mir ein für Londoner Verhältnisse eher intaktes Familien- und Sozialleben ermöglicht.

In Deutschland hatte ich mir das Fernsehschauen fast vollständig abgewöhnt. Als ich nach London gezogen war, schaute ich wieder ein wenig mehr, auch aus beruflichen Gründen, wie ich mir bis heute einrede. Das Fernsehprogramm eines Landes sagt ja zumindest etwas darüber aus, was die Fernsehleute von ihren Zuschauern halten. Wenn zum Beispiel ein Moderator zur besten Sendezeit am Samstagabend in einen Sack steigt und darin herumhüpft - sei's drum, ich glotze im britischen Fernsehen so dies und das und geriet eines schönen Montags in die Wettbewerbs-Kochshow.

Jeden Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag schalte ich seither den Decoder an, nachdem ich zuvor den Empfangsverstärker der Zimmerantenne hochgedreht habe. Zwar haben wir ein paar Antennen auf dem Dach, es mögen drei oder vier sein, aber die dienen lediglich als Freizeitpark für Vögel, darunter Stieglitze, Möwen, Elstern, Rotkehlchen, Krähen, Graureiher, Eichelhäher, ein Adler und zwei, drei Vogelarten, die noch kein Ornithologe jemals gesehen hat. Einer dieser Vögel hat mal einen unentfernbaren Fleck auf unser Schlafzimmerfenster geschissen, aber das ist eine andere Geschichte. So weit ist es also gekommen: Ich schaue mit einer Zimmerantenne fern und bin abhängig von einer Kochshow.

Der stets erstaunliche G. erzählte neulich, als wir im beheizten Garten eines Pubs namens "The Eagle" saßen, er koche die beste Bolognese der Welt. G. schwärmte sehr von seiner Sauce und sagte, selbst Italiener liebten sie. Ich hörte ihm aufmerksam zu, hin und wieder nippte ich am Bier. "Wie geht dein Rezept?", fragte ich schließlich. G. holte weit aus, sehr weit, er verriet Zutat für Zutat, Detail für Detail. Als er fertig war, hörte ich mich fragen: "Duell?"

© SZ vom 24.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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