Juwelen- und Bankräuber im Kino:Mein Held, der Safeknacker

Lesezeit: 2 min

Mal ehrlich: Wer kam hier eigentlich zu Schaden? Butch Cassidy (Paul Newman, links) und Sundance Kid (Robert Redford) in ''Zwei Banditen - Butch Cassidy and the Sundance Kid''.  (Foto: 20th Century Fox)

Es war wie in einem "Heist movie", einem klassischen Gangsterfilm mit Gentlemen als Bösewichten. Mit einem kleinen Unterschied: Die Juwelenräuber von Cannes dürften wohl eher keine ehrbaren Leute gewesen sein. Im Kino bedienen Geschichten wie diese Frustrationen des linksliberalen Bürgertums.

Von Andrian Kreye

Es ist eine hübsche Pointe, dass der Juwelenräuber von Cannes in genau das Hotel einstieg, in dem Alfred Hitchcock im Sommer 1954 "Über den Dächern von Nizza" drehte.

Damals spielte Cary Grant den Meisterdieb John "Die Katze" Robie. Im selben Jahr drehte Jules Dassin seinen Safeknackerkrimi "Rififi". Beide Filme etablierten das Genre des "Heist Movie". In fast allen diesen Filmen sind die Juwelenräuber, Kunstdiebe und Safeknacker die Protagonisten, also die Hauptfiguren, mit denen sich das Publikum identifizieren soll.

Gewalt spielt deswegen nie eine wichtige Rolle. Der eigentliche Clou dieser Filme war und ist ja gerade, dass die Verbrecherfiguren sich die Sympathie des Publikums erhalten mussten. Actionhelden durften ihre Gegner erschießen, verprügeln oder sonst wie zurichten. Die Räuber und Diebe der "Heist Movies" hatten ihren moralischen Vorsprung mit ihrem Verbrechen ja schon verspielt, deswegen mussten sie als elegante Ladys und Gentlemen um jeden Preis ihre Haltung wahren. Nur so konnten sie den subversiven Kern des Genres zur vollen Wirkung bringen.

Denn mal ehrlich - wer kommt in solchen Filmen schon zu Schaden? Die Reichen von der Côte d'Azur ("Über den Dächern von Nizza"), Museen ("Topkapi", "Die Thomas Crown-Affäre"), Spielkasinos ("Ocean's 11", ), Banken ("Zwei Banditen - Butch Cassidy and the Sundance Kid", "Heat"), Autokratien ("Der rosarote Panther").

Alles Institutionen, die Macht und Reichtum verkörpern. Damit ist der Robin-Hood-Effekt schon mal gesichert. Polizisten, Versicherungsagenten und Bankiers wechseln dabei regelmäßig die Rolle vom Leistungsträger zum Bösewicht.

Im wirklichen Leben macht dieser Effekt den echten Fahndern oft genug das Leben schwer. Gerade wenn es um Schäden im Luxusbereich geht, wie beim Juwelenraub und Kunstdiebstahl, ist der Fahndungsdruck nicht ganz so hoch. Die Abteilungen für Kunstfahndung sind weltweit mit geradezu lächerlichen Mitteln und verschwindend geringem Personal ausgestattet.

Doch ähnlich wie der Actionfilm kann man auch das "Heist Movie" durchaus als gesellschaftliche Metapher lesen. Der Actionfilm dient eher als ein Ventil für kruden Volkszorn. In der Regel greift da eine frustrierte Hauptfigur zur Selbstjustiz.

Das "Heist Movie" bedient dagegen die Frustrationen des linksliberalen Bürgertums. Das ließ sich von den rabiaten Methoden der Dirty Harrys und Rambos traditionell eher abschrecken. Der Meisterdieb aber, der Geschick und Intelligenz einsetzt, um ein System zu überlisten, das seine Pfründe und Macht mit gewaltigem Aufwand schützt, passt gut ins Gerechtigkeitsschema dieser Kinogänger - eines Publikums, das einerseits an den Wert echter Leistung glaubt, andererseits seit Jahrzehnten schon einen kultivierten Antikapitalismus pflegt.

Die Motive ändern sich im Lauf der Jahre. Die frühen Meisterdiebe arbeiteten eher allein, waren oft Veteranen des Zweiten Weltkriegs. Sie verkörperten den schleichenden Groll der Bürger, die in der Demokratisierung des Wohlstands in den Nachkriegsjahren durchaus den historischen Lohn für die Kriegsjahrzehnte sahen, denen die wirtschaftlichen Hierarchien aber immer noch zu verkrustet erschienen.

Als Frank Sinatra den Kasinoräuber Danny Ocean 1960 erstmals spielte, war er ein solcher Veteran. 2001 war George Clooney, in dieser Rolle von derlei historischem Ballast befreit, ganz einfach der Schwerpunkt einer Gang, die in ihrer multikulturellen Kumpelhaftigkeit die lässige amerikanische Gesellschaft des 21. Jahrhunderts repräsentieren sollte. Und die nur einen Feind kennt: das Kapital.

© SZ vom 31.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: