46. Hofer Filmtage:Trotz der Jahre jung geblieben

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Zu seinem 70. Geburtstag beschenkt Rosa von Praunheim sich und das Publikum mit sage und schreibe siebzig neuen Filmen. Sie stellen einen Großteil des Programms bei den 46. Hofer Filmtagen, und so ist die Leistungsschau des deutschen Films in diesem Jahr umfangreicher denn je zuvor.

Josef Grübl

Rosas Welt: Die Hofer Filmtage widmen Rosa von Praunheim kurz vor seinem 70. Geburtstag eine eigene Reihe.  (Foto: Festival)

Wir Deutsche haben es nicht so mit Innovationen. In München stimmen die Bürger gegen Hochhäuser und Startbahnen, die schwäbische Volksseele kocht wegen eines Bahnhofs, und in Berlin zögert man die Eröffnung des neuen Flughafens so weit hinaus, bis selbst dem einfallsreichen Regierenden Bürgermeister die Ausreden ausgehen.

So ist es keine große Überraschung, dass auch in Hof an bewährten Konzepten festgehalten wird. "Alles beim Alten", können zumindest diejenigen sagen, die nur einmal im Jahr in das Städtchen kommen. Seit 46 Jahren sind die Hofer Filmtage mit ihren Anlaufpunkten Central und Scala Kino, Bratwurststand und Fußballplatz das wohl familiärste Festival der Republik.

Werner Herzog, Hans Christian Schmid, Tom Tykwer, Dominik Graf oder Doris Dörrie starteten hier ihre Karrieren, Wim Wenders ahnte schon im Jahr 1968: "Hof, das steht für Home of Films." Der Spruch gefällt den Oberfranken natürlich, er wird bis heute auf Banner und Plakate gedruckt. Und als ob es noch einen weiteren Beständigkeitsbeweis bräuchte, ist auch der Festivalchef seit 46 Jahren derselbe: Heinz Badewitz hat die Filmtage im Mai 1967 gegründet, damals waren sie gerade einmal zweieinhalb Stunden lang.

Der gebürtige Hofer mit der ewiggleichen Pilzkopf-Frisur war in den 60er Jahren ein hoffnungsvoller Jungfilmer, heute ist er der dienstälteste Festivalchef der Republik.

Dieses Jahr zeigt er 181 Kurz-, Lang- und Dokumentarfilme; ein Großteil davon stammt von Rosa von Praunheim, der im November seinen 70. Geburtstag feiert und sich und sein Publikum mit siebzig (!) neuen Filmen beschenkt. Aufgrund der Praunheim-Reihe ist die Zahl der aufgeführten Filme so hoch wie nie, ansonsten läuft alles in geregelten Bahnen: "Eigentlich hat sich nichts geändert", meint Heinz Badewitz, nur die Filme seien natürlich andere.

Leistungsschau der einheimischen Filmbranche

Gezeigt werden internationale Festivalhits wie Olivier Assayas' "Après Mai" oder Andrew Dominiks "Killing them softly" mit Brad Pitt in der Hauptrolle. Diese Filme kommen auch regulär in die Kinos, viele von den nationalen Produktionen haben dagegen noch keinen Verleih: "Aus Deutschland zeigen wir 28 Kurzfilme und 25 Langfilme, neun davon sind Dokumentarfilme", so Badewitz, die Hofer Filmtage gelten nicht umsonst als die Leistungsschau der einheimischen Filmbranche. "Es sind auch unglaublich viele Filme von Regisseurinnen dabei", fügt er hinzu. Das wird, auch wenn dies reiner Zufall ist, all jenen gefallen, die sich über das Fehlen von weiblichen Wettbewerbsbeiträgen in Cannes mokierten.

Zur Eröffnung am heutigen Dienstagabend begrüßt er eine Absolventin der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film: Die gebürtige Ukrainerin Daria Onyschtschenko hat einen grenzüberschreitenden Episodenfilm gedreht, in "Eastalgia" begleitet sie einsame Seelen durch München, Belgrad und Kiew. Der Österreicher Karl Markovics spielt einen alternden Boxer in der bayerischen Landeshauptstadt, er lebt in einer anonymen Wohnanlage, spielt Gitarre und trinkt Schnaps mit seiner ukrainischen Nachbarin. So trostlos hat man München schon lange nicht mehr gesehen.

Markovics' Landsmann Georg Friedrich mimt einen Deutschen, der wegen einer Frau (Lea Mornar) nach Serbien gezogen ist, dort aber in Schwierigkeiten gerät. Er will zurück nach Hause, sie nicht: "Weil die Flüsse in Deutschland nicht stinken", sagt er einmal. Es ist ein melancholischer Heimatfilm geworden, mit guten Schauspielern und einer strengen, mitunter etwas konstruierten Dramaturgie. Verbunden werden die Figuren durch die Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull: Der Regen ist in allen drei Städten schwarz.

Nicht nur der Eröffnungsfilm wurde von einer jungen Frau inszeniert, auch Festival-Beiträge wie "Mittelkleiner Mensch", "Waiting Area" oder "La vie d'une autre" stammen von Erstlingsregisseurinnen. Das Besondere dabei: Die Damen heißen Karoline Herfurth, Nora Tschirner und Sylvie Testud, alle drei sind bekannte Schauspielerinnen. "Das sind ganz starke Filme, jeder auf seine Art ganz eigen", schwärmt Badewitz.

Die Popularität ihrer Macherinnen wird für Aufmerksamkeit und volle Kinosäle sorgen. Dabei ist der Promibonus in Hof gar nicht so wichtig: Die Auslastung liegt bei nahezu hundert Prozent, auch hier geht es erfreulich konstant zu. An eine Verlängerung oder Ausweitung will der Festival-Chef nicht denken: "Die sechs Tage sind optimal, die Leute bleiben vom Anfang bis zum Schluss." Auch die abgelegene Lage Hofs sei von Vorteil: "In kleineren Orten funktionieren Festivals besser, weil sich die Leute immer wieder über den Weg laufen."

Heinz Badewitz ist jetzt 71 Jahre alt; er hat die Autorenfilmer der 70er Jahre genauso überlebt wie die Beziehungskomödianten der 90er. So jemand lässt sich durch nichts mehr aus der Ruhe bringen. Vom Krisengerede der Branche hält er nichts ("Der deutsche Film steht hervorragend da"), die Konkurrenz durch immer mehr Festivals sieht er gelassen ("Die Filmemacher kommen nach wie vor gerne nach Hof").

Es hat sich doch etwas verändert

Nur ganz selten wird es aber auch ihm zu viel: Im Vorfeld der diesjährigen Filmtage wurde der Fall eines marokkanischen Schauspielers bekannt, dem die deutsche Botschaft das Visum für die Einreise verweigert hat. Das verursachte einigen Wirbel, Badewitz wurde immer wieder für Interviews angefragt und sollte sich zur deutschen Außenpolitik äußern. "Vor zwei Jahren hatten wir vier marokkanische Regisseure zu Gast, da gab es noch keine Probleme", sagt er. "Man merkt, dass die deutschen Behörden restriktiver geworden sind." Es hat sich also doch etwas geändert bei den 46. Hofer Filmtagen. Darauf hätte Heinz Badewitz aber gut verzichten können.

© SZ vom 23.10.2012/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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