Zweiter Weltkrieg:Ausgebombt

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Es entspricht nicht der historischen Realität, dass nach dem Zweiten Weltkrieg 14 Millionen Vertriebene vor der Tür der Einheimischen standen und um Einlass begehrten. Schon vorher mussten Ausgebombte untergebracht werden.

"Stolz und Vorurteil", 27./28. Juni:

Im November 1944 wurden zwei Flüchtlingsfamilien bei uns auf dem Bauernhof einquartiert, Gutsarbeiterfamilien aus Pommern, neun Personen. Ein Mann von ihnen blieb dem Hof erhalten, wir nannten ihn später "Meister Wolf". So war es überall in Deutschland. Am Ende und in der Nachkriegszeit gab es noch viele Umsiedlungen. Dem Hof wurde eine weitere Familie zugewiesen, drei Erwachsene und fünf Kinder, jetzt waren es 17 Flüchtlinge, eine Küche und ein Plumpsklo, zusätzlich die Familie Petersen mit sechs Personen und Bediensteten. Dazu kamen von Mai bis November 1945 etwa 80 Soldaten, die in den Stallungen und auf dem Heuboden kampierten, Marinepioniere, die unter britischer Aufsicht Bunker und Flakstellungen schleifen mussten.

Es entspricht nicht der historischen Realität, dass 14 Millionen Vertriebene vor der Tür der Einheimischen standen und um Einlass begehrten, wie Heribert Prantl schreibt. Am Kriegsende waren große Teile im Osten entvölkert. Ihre Unterbringung bei den "Einheimischen" wurde am Ende des Krieges von den damaligen Behörden des Nazi-Regimes verfügt, gegen deren Anordnung gab es keine Möglichkeit des Einspruchs, es herrschte Krieg. Das galt auch für die Unterbringung der "internen" Flüchtlinge, die in den Städten "ausgebombt" waren, auch für die Schutzbefohlenen im Rahmen der "Kinderlandverschickung". Ja es war eine große Leistung, die die Flüchtlinge und Einheimischen in diesen Zeiten erbrachten. Die Jahre 1946 und 1947 waren die schlimmsten im Zusammenleben. Es verband alle große Not und das Bewusstsein einer großen Schuld. Ob man darauf stolz sein kann und was das alles mit dem heutigen Flüchtlingsdrama zu tun hat, erschließt sich mir als Zeitzeuge von damals nicht.

Das auf zitterndem Boden geschriebene Grundrecht auf Asyl wurde vom Parlamentarischen Rat für "Politisch Verfolgte" in den Entwurf des Grundgesetzes geschrieben, eine große humane Leistung, auf die wir stolz sein können. Da lag der Krieg schon drei Jahre zurück. Für viele war zu diesem Zeitpunkt das Schlimmste überstanden. Mit der Währungsreform und der Gründung der Bundesrepublik begann für die Menschen in den Westsektoren der Aufbruch in eine neue Zeit, für die Landsleute in der Sowjetisch Besetzten Zone eher nicht. Christian Petersen, Ottobrunn

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© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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