Wohnungsnot:Falsche Richtung

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Warum schaffen die Politiker es nicht, in Deutschland das wirtschaftliche und soziale Auseinanderdriften von Regionen zu verhindern, fragt ein Leser. Aus seiner Sicht wäre das einer der Schlüssel zur Linderung der Wohnungsnot.

"Bodenlos" vom 18./19. November sowie "Draußen sein und draußen bleiben" vom 15. November:

Arbeit zu den Leuten bringen

Die wesentliche Ursache der Wohnungsnot ist das wirtschaftliche und soziale Auseinanderdriften von Städten und Regionen in Deutschland. Neben Boomregionen wie dem Raum München gibt es unverändert Gebiete mit hoher Arbeitslosigkeit und dadurch erzwungener Abwanderung. Vor allem dort stehen rund zwei Millionen Wohnungen leer. Sogar die Bundesregierung geht in ihren Regionalentwicklungsberichten von einer verstärkten Divergenz der Regionen aus. Wenn sich aber nach wie vor Investitionen und Arbeitsplätze in nur einigen wenigen Ballungsgebieten zentralisieren, kann man dort bauen, so viel man will - die Binnenwanderung geht weiter, und die Wohnungsnot bleibt. Warum, um nur ein Beispiel zu nennen, errichtet BMW ein neues Forschungszentrum mit Tausenden zusätzlichen Arbeitsplätzen in München und trägt damit zur weiteren Explosion der Mieten bei? Warum nicht etwa im Ruhrgebiet, wo die Menschen dringend Arbeit brauchen und Universitäten qualifiziertes Personal ausbilden? Das Wohnungsproblem lässt sich nicht durch unbegrenztes Bauen lösen, sondern nur durch eine wirksame, aktive Regionalpolitik, die Investitionen und Arbeit zu den Menschen bringt und nicht die Menschen zur Arbeit in die Boomregionen zwingt.

Dr. Roland Pauli, München

Preis der Gutgläubigkeit

Es gab einmal eine Zeit, da hatte die SPD in ihrem Programm die Erkenntnis formuliert, dass Grund und Boden nicht den Marktgesetzen unterworfen sein dürfen, da eine Wohnung, wie Luft und Wasser, zur Erfüllung der Grundbedürfnisse eines Menschen nötig ist. Leider hat die Mehrheit der Mieter nicht die SPD gewählt, sondern die Hausbesitzerparteien CDU/CSU und FDP. Meine Eltern gehörten auch zu diesen Deutschen, die noch im Geist des Kaiserreichs sozialisiert worden waren und deshalb nicht erkannten, wer nach 1945 tatsächlich ihre Interessen vertreten hätte. Sie glaubten tatsächlich, dass die alten Eliten die neuen Werte des Grundgesetzes von Gleichheit und Sozialstaat durchsetzen würden. Sie hatten mehr Angst vor der von Adenauer & friends beschworenen "roten Gefahr" als vor ihren Mit-Bürgern, die nicht, wie sie, 1948 nur mit 40 Mark neu beginnen mussten. Durch die unbezahlbaren Mieten in den Großstädten zahlen wir heute alle den Preis für die ersten zwanzig Jahre schwarz-gelber Regierungen. Wie schlimm das noch werden kann, zeigen New York, Tokio und ähnliche Städte.

Dagmar Schön, München

Berechnungsgrundlage ändern

Grundlage für die im "frei finanzierten" Wohnungsbau, und damit in den meisten Fällen, zu zahlenden Mieten ist die "ortsübliche Vergleichsmiete" die nach Paragraf 558 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ermittelt wird. Dies bedeutet laut Gesetzestext, nur geänderte oder vereinbarte Mieten aus den "letzten vier Jahren" werden berücksichtigt. Dies gilt im Prinzip auch für einen "Mietspiegel", zum Beispiel in München. Eine Mietpreisbremse ist wirkungslos geblieben. Dies ist ein Grund für die Wohnungsnot, weil nur die teuren Mieten aus den letzten vier Jahren maßgebend für die "ortsübliche Vergleichsmiete" sind.

Der schnell zu hörende Vorwurf "furchtbare Vereinfacher" trifft hier nicht die Mieter, sondern den Bundesgesetzgeber, der die Berechnungsgrundlage des Paragrafen 558 BGB ändern muss, falls die Wohnungsnot in einem wesentlichen Punkt wirklich behoben werden soll. Ein weiterer wesentlicher Punkt wäre die Befreiung des Wohnungsmarktes von den hohen Grundstückspreisen. Sie machen heute in Großstädten weit mehr als die Hälfte der Baukosten aus und strangulieren den Wohnungsbau.

Dr. Peter Knoch, München

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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