Tatort:Gescheiterte Existenzen

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Gerhard Matzig hat jüngst dem "Tatort" am Sonntag öffentlich Lebewohl gesagt. Eine Leserin hat das schon vor ihm getan und nennt dafür weitere Gründe. Ein anderer Leser hofft auf weniger Hintergrundmusik - bei allen Sendungen.

"Es ist aus" vom 2. Februar, "Komaglotzen statt Lagerfeuer" vom 30. Januar:

Genuschle und Fäkalsprache

Dem Artikel "Es ist aus" von Gerhard Matzig kann ich aus vollstem Herzen zustimmen. Auch meine frühere Sonntagsliebe zum "Tatort" ist erkaltet. Den Gründen, die den Autor zur Scheidung bewogen, kann ich noch einige hinzufügen.

Erstens: Das ständige Genuschle der meisten "Tatort"-Kommissare nervt nur noch. Ich verstehe nichts mehr. Ein moderner Regisseur ist sich offenbar zu gut dazu, seine Schauspieler zum deutlichen Sprechen anzuhalten und ihnen zu sagen, sie sollen sich beim Sprechen der Kamera bzw. dem Mikrofon zuwenden. Auf diese sogenannte Authentizität kann ich verzichten. Zweitens: Selbst wenn ich manche Wörter und Satzfetzen akustisch noch verstehe, kann ich auf die Fäkalsprache mancher Kommissare ebenfalls pfeifen. Nachdem der erste "Schei ..." gesagt hat, schalte ich ab. Drittens: Die meisten "Tatorte" spielen nur noch in irgendwelchen dunklen Beton-Katakomben. Beleuchtung ist bei diesen Billig-Drehorten wohl auch nicht angesagt. Aber das ist sogar gut so. Die Betrachtung blutverschmierter, entstellter Leichen im Detail ist ja auch kein Sonntagabendvergnügen.

Fazit: Die sonntägliche Alternative zu "Tatort" in der ARD und Schmachtfetzen im ZDF entscheiden mein Mann und ich meistens zugunsten eines alten "Alten" oder eines alten "Derrick". Da rauchen die Kommissare noch, trinken im Dienst ein Bier und benutzen Handys von der Größe einer Aktentasche (wenn sie überhaupt schon eines haben). Und es sind nicht nur gescheiterte Existenzen, wie beim "Tatort". Man versteht sie akustisch und erkennt, wo sie sich gerade aufhalten, obwohl Bild und Ton schon sehr in die Jahre gekommen sind. Und manchmal liegt sogar Schnee auf den Straßen. Was will man mehr? Elfriede Kraus, Bruckberg

Heuschreckeneinfall

Ich stimme Ihnen vollständig zu. Da waren die Programmverantwortlichen der ARD besoffen von ihrem Kulterfolg und statt sich still zu freuen, wurden ein paar junge Männer engagiert (Frauen würden nur stören), die sich an die Arbeit machten, den Kult zu zerstören. Das Vorgehen ist einfach und kommt einem bekannt vor: Der "Tatort" muss "moderner" werden (das heißt mehr Schießereien, mehr Tote, mehr Massenmörder). Inhalte können vernachlässigt werden, denn Marketing ist wichtiger. Und, last but not least, Masse statt Klasse. Das Rezept erinnert fatal an die Rezepte der Unternehmensberater nach Unternehmensübernahme durch Heuschrecken. Allerdings haben die Heuschrecken in den vergangenen zehn Jahren dazugelernt. Heute machen sie es nicht mehr so. Bei der ARD aber haben die gescheiterten Berater der vergangenen Heuschreckendekade dann doch noch ein warmes Plätzchen gefunden. Peter Kleimeier, Berlin

Im Hintergrund laute Musik

Ein Randaspekt, der einen nicht geringen Einfluss auf das Medienverhalten besonders älterer Zuschauer hat, betrifft die Tonqualität sowohl von Dokumentationen (Natur, Wissenschaft etc.), die in der Regel eher von der Zielgruppe jenseits der 49 gesehen werden, als auch von vielen Spielfilmen. Bei Dokumentationen geht es um die Hintergrundmusik. Jede noch so gut gestaltete Sendung wird zum Ärgernis, wenn Hintergrundmusik, deren Beliebigkeit meist keinen Zusammenhang mit dem Dargestellten aufweist, die Verständlichkeit der Sprache erschwert. Es gibt Sendungen, in denen fast ununterbrochen Musik im Hintergrund läuft, auch wenn der Moderator spricht oder Naturaufnahmen gezeigt werden, bei denen die natürlichen Geräusche von der Musik überlagert werden. Ältere Menschen verlieren die Fähigkeit, höhere Frequenzen wahrzunehmen. Das erschwert die Verständlichkeit von Sprache in einer lauten Umgebung.

Auch in Spielfilmen wird auf die Audioqualität wenig Wert gelegt. Oft wird genuschelt und geflüstert, gerne auch mit Musik im Hintergrund. Wie gut, dass es meist Untertitel gibt. Synchronisierte Filme schneiden dagegen in der Regel besser ab, weil die Audioaufnahmen im Studio erfolgen. Leserbriefe in Programmzeitschriften und Mails an die Sendeanstalten zu diesem Thema scheinen, wie die Erfahrung zeigt, die Verantwortlichen nicht zu interessieren, im Gegenteil: Man hat das Gefühl, es wird immer schlimmer. Fragt man ältere Menschen zu diesem Thema, dann wird diese Wahrnehmung sehr häufig bestätigt. Wie groß muss der Ärger werden, damit eine Reaktion erfolgt? Dr. Heiko Dannemann, München

© SZ vom 12.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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