SZ-Werkstatt:Wo Wände Ohren haben

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Nahost-Korrespondent Paul-Anton Krüger berichtet im Buch Zwei aus Syrien. Hier beschreibt er, wie schwierig es war, überhaupt ins Land zu kommen.

SZ-Korrespondent Paul-Anton Krüger berichtet im Buch Zwei aus Syrien. Hier beschreibt er, wie schwierig es war, überhaupt ins Land zu kommen:

Die Journalisten-Organisation Reporter ohne Grenzen veröffentlicht jedes Jahr eine Rangliste der Pressefreiheit. Das Syrien Baschar al-Assads steht dort auf Platz 177 von 180 Ländern. Dahinter kommen nur noch Turkmenistan, Eritrea und Nordkorea. Die Regierung reguliert den Zugang für westliche Journalisten streng und willkürlich; etliche der besten Syrien-Kenner aus dem Kreis meiner Kollegen im Nahen Osten können deswegen die vom Regime kontrollierten Gebiete nicht bereisen. Auch der Süddeutschen Zeitung blieb ein Visum drei Jahre lang verwehrt; erst der siebte Antrag hatte Erfolg.

Es gibt im Nahen Osten viele Länder, die versuchen, eine freie Berichterstattung zu behindern oder gar zu verhindern. In Iran etwa unterliegt unsere Arbeit strikten Beschränkungen. Für die meisten Gespräche und alle Reisen außerhalb Teherans braucht man Genehmigungen der Regierung, Übersetzer müssen von der Regierung lizensiert sein. In keinem Land aber ist die Überwachung derart engmaschig wie in Syrien. Auch hier sind für jeden Ort außerhalb von Damaskus die Einwilligungen der Regierung und des Geheimdienstes Voraussetzung.

Selbst wenn es gelingt, ein Gespräch zu führen, das nicht von einer der Aufpasserinnen des Informationsministeriums mitgehört wird, trauen sich die Leute oft nicht zu sagen, was sie denken. Man merkt an den langen Denkpausen und ungelenken Formulierungen, dass es kein unbeschwertes Gespräch ist, dass es Tabus gibt. Die Zensur findet schon im Kopf statt. "Schon die Eltern haben uns mitgegeben, dass die Wände Ohren haben", sagte mir eine Syrerin aus Damaskus, die sich als Aktivistin engagiert. Sie zu treffen, wenn ich ihre Stadt besuche, ist nicht möglich. Es wäre zu gefährlich für sie. Die Wahrheit offen zu sagen kann sehr gefährlich sein in Syrien - das Regime der Angst hat das Land fest im Griff.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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