SZ-Werkstatt:Stein der Weisen

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Gerhard Matzig, Architekturkritiker der SZ, erinnert sich an die Studienzeit. Und an das, was ihm sein Professor mit auf den Weg gab.

Von Gerhard Matzig

Es ist ein seltsam schönes Gefühl, wieder mal an dieser Ecke Münchens zu stehen: Luisen-/Ecke Gabelsbergerstraße. Im Architekturstudium an der TU wurde mir hier in den Achtzigerjahren ein Ziegelstein in die Hand gedrückt. Der ansonsten verehrte Professor meinte: "Ein Ziegelstein, der mehr sein will als nur ein einfacher Ziegelstein - das ist Architektur."

Nach ziemlich genau einem Vierteljahrhundert als Architekturkritiker im Dienst der SZ würde ich sagen: Genau das stimmt eben nicht. Und es wäre durchaus im Sinne einer besseren und womöglich auch schöneren Welt, wenn einige der ehrgeizigsten Ziegelsteine ihre Ambitionen infrage stellen und sich stattdessen das großartige Rummenigge-Gebot "back to earth" zu eigen machen wollten. Allerdings bin ich nicht wegen der Ziegelsteine hier, sondern wegen der angehenden Architekten.

Es geht ums Haus der Kunst, Baujahr 1937. Bekanntlich soll es nach Plänen von David Chipperfield demnächst umgebaut werden. Der schlägt im Grunde vor, den Original-NS-Zustand im Stadtbild wieder herzustellen, weshalb man sich in der SZ gefragt hat: Ist das wirklich alles, was der Architektenschaft zu dieser wichtigen Bauaufgabe einfällt? So baten wir 52 Architekturstudenten der TU um etwas frischere, ja radikalere oder sogar utopische Ideen. Das Ergebnis ist auf den Seiten 13 bis 15 zu besichtigen.

Im Kulturjournalismus, der sich um Räume kümmert, dürfen die Worte übrigens gelegentlich mehr sein als nur Worte: eine Geschichte beispielsweise. Das ist der Moment, wo aus Hochbau Satzbau wird. Wobei das auch die Antwort ist auf die Frage, welche Häuser in die Zeitung finden. Nicht diejenigen, die aus Ziegelsteinen und Architektur bestehen - sondern bevorzugt auch aus Menschen und ihren Geschichten.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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