Für die kommenden zwei Wochen habe ich Urlaub genommen, so wie das ganze Land. Alle Büros haben in China geschlossen, kaum ein Restaurant hat geöffnet, selbst der Supermarkt an der Ecke ist dicht. Jemanden zu erreichen in diesen Tagen, ist fast unmöglich. Es ist chun jie, Frühlingsfest. Das ist in China so wichtig wie Weihnachten, Ostern und Silvester zusammen. Alle Chinesen machen sich dann auf den Weg zu ihren Familien, um gemeinsam das neue Jahr zu begrüßen.
Wir feiern in Peking. Meine Frau ist gebürtige Chinesin. Die Schwiegereltern sind am Donnerstag mit dem Flugzeug gekommen. Am Tag vor der Abreise bekamen sie eine SMS, man möge doch vier Stunden vor Abflug da sein, wegen der langen Schlangen. Bahntickets gibt es seit Wochen nur noch auf dem Schwarzmarkt. Am Freitag, dem Silvesterabend, haben wie immer Hunderte Millionen die Neujahrsgala im Fernsehen geschaut. Keine Sendung weltweit hat höhere Einschaltquoten. Wer in dieser Show auftreten darf, ist danach ein Star in China. Um Mitternacht beginnt dann die große Knallerei. In Deutschland bräuchte man wohl einen Sprengschein, um die chinesischen Raketen und Böller legal zu zünden.
Der wahrscheinlich einzige Mensch in China, der an diesem Samstag, dem Neujahrstag, arbeitet, ist übrigens mein SZ-Kollege Kai Strittmatter. Seit Wochen versuchen wir, mit dem Leiter einer Behörde zu sprechen. Keine Rückmeldung. Vor ein paar Tagen klingelte das Telefon. Um zehn Uhr an diesem Samstag könne man ihn treffen, beschied der gute Mann. An keinem anderen Tag, zu keiner anderen Zeit. Das wäre so, als würde jemand in Europa auf einen Termin am Weihnachtsfeiertag bestehen. Interview - statt Gans und Weihnachtsbaum. Ob der Beamte hofft, dass niemand auftaucht? Der Kollege wird da sein.