Sprachlabor:Starkes Geschütz

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Welcher, welche, welches: Vor einiger Zeit hatten wir dazu schon einmal ein Sprachlabor verfasst. Ein Leser erhebt dagegen Einspruch und führt Karl Kraus als Beweis an.

Von hermann unterstöger

WELCHER, WELCHE, WELCHES (Teil 2). Kürzlich ging es an dieser Stelle um die von Leser K. gerügte "Pest", Relativsätze mit welcher, welche, welches einzuleiten. Das Labor, das ja keine wissenschaftliche Institution ist, stützte sich in seiner Antwort auf die in den Grammatiken anzutreffende und aus Schulzeiten erinnerliche Regel, wonach es zwischen der , die, das und welcher, welche, welches keinen substantiellen Unterschied gebe und wonach die sperrigeren Pronomen welcher, welche, welches vornehmlich dann einzusetzen seien, wenn man unschöne Wortwiederholungen à la "Der Mann, der der Frau die Tasche trug" vermeiden will.

Dagegen bringt nun Leser Dr. Dr. L. das größtmögliche Geschütz in Stellung, nämlich Karl Kraus. Dieser demonstriert den Unterschied zwischen der und welcher an dem Satz "Es ist der älteste Wein, den ich getrunken habe" beziehungsweise ". . . welchen ich getrunken habe." Das Ergebnis, in Kraus' eigenen Worten (gekürzt): "Dort sage ich von einem Wein, dass er der älteste der von mir getrunkenen Weine ist; hier von dem Wein, den ich getrunken habe, dass er der älteste ist. Im ersten Fall ist es die Unterscheidung der von mir getrunkenen Weine, im zweiten die der Weine überhaupt."

Da Herr L. seinen Brief mit "Nichts für ungut" schließt, spricht wohl nicht dagegen, auch unsererseits ein beachtliches Geschütz aufzufahren. In seiner Kampfschrift wider die "Verhunzung der Deutschen Sprache" äußert sich Arthur Schopenhauer zu unserem Thema folgendermaßen: "Das Pronomen welcher, welche, welches ist, seiner ungebührlichen Länge wegen, bei unsern meisten Schreibern ganz verfehmt und wird ein und allemal durch der, die und das vertreten, in welcher Weise ich sagen müsste: ,Die, die die, die die Buchstaben zählen, für klägliche Tröpfe halten, möchten vielleicht nicht so ganz Unrecht haben.'"

Da stehen wir nun mit unserer Schulweisheit. Aber immerhin stehen wir zwischen Kraus und Schopenhauer, und solche Gäste hat man schließlich nicht alle Ostern.

© SZ vom 04.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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