Sprachlabor:Runtergerockt

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Das englische Verb "to rock" bringt immer neue deutsche Blüten hervor, die wir dann auch in der Zeitung bewundern dürfen.

Von hermann unterstöger

DIE PFERDE, die Kohlhaas bei seiner Rückkehr vorfindet, sind in Kleists Worten "ein Paar dürre, abgehärmte Mähren" und "das wahre Bild des Elends im Tierreiche". Bei uns im Blatt wurden sie zu "runtergerockten Pferden". Leser, die Kleists Novelle kennen, können sich den Sinn dieses burschikosen Adjektivs ohne Weiteres erschließen; andere werden sich vielleicht fragen, ob Kohlhaasens Pferde sich beim Rock 'n' Roll übernommen haben. So oder so erlaubt die Formulierung wieder einmal einen Blick ins Unterholz der Sprache, woselbst ein ständiges Werden und Vergehen stattfindet. Das englische Verb to rock bringt hier immer neue deutsche Blüten hervor, die wir dann in Zeitungstiteln wie "Rentner rocken das Rathaus" bewundern dürfen. Zu diesen Blüten gehört auch (he)runtergerockt, ein sehr umgangssprachliches Synonym von verkommen, verdreckt, verlaust. Wie die Geschichte mit den Pferden ausging, ist bekannt: Kohlhaas rockte Land und Obrigkeit, dass es nur so eine Art hatte.

IN FIKTIVER SZENE zeigte das Streiflicht Yanis Varoufakis, wie er auf einem Moped "herumbraust, als gebe es kein Morgen und keine Sorgen". Leser R. war davon zwar amüsiert, erinnert aber trotzdem daran, dass es nach wie vor den sogenannten zweiten Konjunktiv gibt, der an dieser Mopedfahrt unbedingt hätte teilnehmen müssen. In der Tat muss es heißen "als gäbe es kein Morgen", weil hier von etwas Irrealem, also von einer Nichtwirklichkeit die Rede ist: Es gibt sowohl ein Morgen als auch Sorgen, doch tut der Mopedfahrer so, als ob es sie nicht gäbe. Ein Blick ins Archiv zeigt, dass sich bei vergleichbaren Sätzen die Konjunktive I und II die Waage halten. Zwei Beispiele aus der FAS: "Die Anleger haben Bundesanleihen gekauft, als gäbe es kein Morgen." Und: "Auf lange Sicht wird der Ölpreis steigen, als gebe es kein Morgen."

NOCH ETWAS treibt Leser R. um: der Widersinn in der Rede vom "sinnlosen Morden". Ein weites, für diese Kolumne allzu weites Feld.

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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