Private Krankenversicherung:Viele Fehler im System

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Erst kürzlich hat ein Kommentar in der SZ die Abschaffung der Privaten Krankenversicherung gefordert. Einige Leserinnen und Leser pflichten dem bei und untermauern das mit eigenen - negativen - Erfahrungen. Andere halten dagegen.

Wer zahlt die Behandlung - und in welcher Höhe? Das deutsche Krankenkassensystem steht in der Kritik. (Foto: imago)

"Abschaffen!" vom 9. April:

"Melkkühe der Ärzte"

Katharina Kutsches Kommentar spricht mir aus der Seele, denn auch ich bin eine der privat Krankenversicherten, die sich wünschte, dass sie diesen Schritt nie gemacht hätte und die leider nicht mehr zurückkann. 1988, direkt nach meinem mit BAföG-Volldarlehen finanzierten BWL-Studium war es die erste Tat meiner damaligen Abteilungskollegen, mir die Private Krankenversicherung (PKV) schmackhaft zu machen, in die vom Abteilungsleiter angefangen bis auf einen Kollegen alle bereits reingegangen waren. Ich war jung (25), aus damaliger Sicht hoch verschuldet (BAföG), und wurde mit Erlass der ersten drei Monatsbeiträge geködert. Bereits nach einem Jahr gab es Probleme, denn ich bekam einen Bandscheibenvorfall im LWS-Bereich und die PKV unterstellte, dass ich Vorerkrankungen verschwiegen hätte und weigerte sich zunächst, Arztrechnungen zu erstatten. Es vergingen Jahrzehnte mit mehr oder weniger "Theater" und da sich das Thema Familie/Kinder bei mir nicht ergab, arbeitete ich weiterhin und liege (glücklicherweise eigentlich) nach wie vor oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze.

Zigmal habe ich bei GKVs angefragt, ob sie mich relativ Gutverdienende nicht gern wieder als solvente (Höchst-)Beitragszahlerin zurücknehmen möchten, aber es gab immer die gleiche Antwort: Wir dürfen nicht. Absolut verrückt und in keiner Weise nachvollziehbar, was sich der Gesetzgeber bei diesen Regularien denkt und warum dies nicht endlich korrigiert wird. Wie sagt eine im medizinischen Bereich eines Krankenhauses tätige Freundin immer zurecht zu mir: "Ihr privat Versicherten seid die Milchkühe der Ärzte."

Barbara Pieper, Dortmund

Den Schaden hat der Mediziner

Der Artikel zum Thema private Krankenversicherung, der letztendlich die Abschaffung dieser Versicherungsform fordert, geht über wesentliche Tatsachen hinweg. Die Tatsache, dass die gesetzliche Krankenversicherung ständig über die private Krankenversicherung subventioniert wird, bleibt völlig außer Acht. Wenn diese zusätzlichen Einnahmen dem Gesamtgesundheitssystem entzogen werden, führt dies nahezu umgehend zu einer Gebührenerhöhung der gesetzlichen Krankenversicherung, was sich dann sicherlich schmerzhaft bemerkbar macht.

Der Hinweis, dass mit der Abschaffung der PKV ein Zwei-Klassen-System beseitigt würde, ist dahingehend absurd, dass genau damit erst ein echtes Zwei-Klassen-System installiert werden würde, da jeder, der sich das auch nur im Geringsten leisten kann und leisten will, sich dann über zusätzlich abgeschlossene Versicherungen all derer Dinge bedient, die ihm jetzt von denen geneidet werden, die die Abschaffung der PKV verlangen. Man möge, sofern man dies vor Augen geführt haben will, sich das Gesundheitssystem Großbritanniens ansehen und die nahezu schrecklichen Zustände des National Health Service einmal genauer unter die Lupe nehmen.

Richtig ist der Hinweis, dass nicht nur manche, sondern viele Patienten sich nach erfolgter Untersuchung und Therapie als Privatpatient die Kosten erstatten lassen und dann erst den Arzt bezahlen, wenn überhaupt! Ein nicht unbeträchtlicher Teil der sogenannten Privatpatienten kassiert nämlich von seiner Versicherung die Erstattung der Arztrechnung, und das ist dann das Letzte, was der behandelnde Arzt davon sieht. Was ihn wiederum zwingt, mit juristischen Maßnahmen vorzugehen, die sehr häufig zeigen, dass hier kaum Aussicht besteht, die ihm zustehenden Kostenerstattungen zu erhalten. Abgesehen davon, dass mit der Abschaffung der privaten Krankenversicherung auch die Beamtenbeihilfe entfallen würde, hat noch niemand sich offensichtlich darüber Gedanken gemacht, was die Beamtenschaft dann wohl an Gehaltserhöhungen einfordern würde, was wiederum die Gesamtheit aller Steuerzahler belasten wird.

Univ.- Prof. Wolfgang Pförringer, München

Gruselige Tarifstruktur

Jung, gesund und gut verdienend sind die Prämissen für einen günstigen und verlockenden Einstiegstarif. Chronisch Kranke werden zum Beispiel überhaupt nicht oder wenn, dann nur mit einem horrenden Risikoaufschlag aufgenommen. Ebenso lohnt es sich für Familien nicht (jedes Mitglied ist einzeln zu versichern). Diese Klientel bleibt dann bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Mit steigendem Lebensalter ist man quasi der Versicherungsgesellschaft ausgeliefert, da sich ein Wechsel nicht lohnt (keine Mitnahme von Rücklagen wie zum Beispiel in der Kfz-Versicherung). Das wäre zum Beispiel ein dankbares Feld für den marktwirtschaftlich orientierten Gesundheitsminister Jens Spahn, diese monopolartigen Strukturen aufzubrechen und mehr Wettbewerb zuzulassen. Nicht einmal einen Baustein aus der privaten Vollversicherung herauszunehmen und durch eine anderweitige Zusatzversicherung zu ersetzen ist erlaubt. Hier liegt eindeutig ein staatlich geschütztes Angebotsmonopol vor.

Dietmar A. Angerer, München

Sogar drei Klassen

Katharina Kutsche beschreibt die Nachteile der Privaten Krankenversicherung recht gut. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass Beamte des einfachen und mittleren Dienstes, die diese Nachteile besonders treffen, keine Wahl haben. Sie zahlen trotz Beihilfe in der "Privaten" oft mehr Beiträge als vergleichbare Angestellte in der "Gesetzlichen". Ein Wechsel in eine gesetzliche Krankenversicherung ist aber nur als freiwilliges Mitglied möglich, und der Dienstherr spart sich eine Menge Geld, weil er keine Arbeitgeberbeiträge dafür zahlen muss, das heißt der Beamte zahlt Arbeitnehmer und Arbeitgeberbeiträge alleine.

Was aber noch viel wichtiger ist: Die Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin wäre damit durchaus nicht eingeleitet. Erstens fänden sich immer Ärzte, die Patienten für viel Geld bevorzugt behandeln würden (es gibt jede Menge Ärzte, die sagen, dass sie nur durch Privatpatienten ihre Praxis erhalten können, weil die Zahlungen der Krankenkassen viel zu niedrig sind). Wir hätten dann lediglich eine deutlich schlechtere Versorgung für alle. Darüber hinaus haben wir ja bereits seit Langem eine Drei-Klassen-Medizin. In den Krankenhäusern - nicht nur in Privatkliniken - gibt es ganze Bereiche, die für unsere "Gäste" aus dem arabischen Raum mit ihrer gesamten Entourage reserviert sind. Da kommt auch kein privatversicherter Patient aus Deutschland rein. Die Kliniken sagen ebenfalls, dass sie diese Patienten brauchen, um wirtschaftlich arbeiten zu können.

Brigitte Wagner, Unterschleißheim

Mär der Besserstellung

Ich hätte als Beamter nie die Ersatzkasse (Techniker Krankenkasse) verlassen, wenn der Staat den Arbeitgeberanteil übernommen hätte. Warum macht der Staat das so? Die Länder und der Bund sparen damit einen zwei- bis dreistelligen Millionenbetrag! Fast bei jeder zweiten Rechnung beanstandet entweder die Beihilfe (bei aktiven Beamten 50 Prozent Beihilfe) oder die zusätzlich erforderliche Krankenkasse den Rechnungsbetrag, obwohl ich mich voll abgesichert habe. Glaubt man, dass dies angenehm ist, wenn man dann mit der Beihilfe oder Krankenkasse streiten muss? Der Arzt verlangt die volle Rechnung. Ich zahle derzeit für meine Frau und mich einen Betrag von 562 Euro. Außerdem müssen die Beamten für die Ehefrau und die Kinder je einen eigenen Beitrag bei der Versicherung abschließen. Würde der Staat die Arbeitgeberanteile übernehmen, würden viele Beamte selbstverständlich in der Ersatzkasse bleiben. Dann wäre auch die ganze Familie mitversichert. Wenn knapp die Hälfte der Privatpatienten Beamte sind, wäre das Thema "Privatpatient" bei der Übernahme des Arbeitgeberanteils durch den Staat bald erledigt. Viele Beamte würden auf die "Privilegien" als Privatpatient gerne verzichten. Wer mehr will, kann sich dann zusätzlich versichern.

Wenn ich mich beim Augenarzt anmelde, muss ich auch drei bis vier Wochen auf einen Termin warten. Es ist daher ein Märchen, wenn man glaubt, dass ein Privatpatient besser gestellt ist.

Herbert Wagner, München

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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