Oper:Radikal schädlich

Lesezeit: 2 min

Wie viel Neues verträgt die alte Oper? Die einen wollen Originaltreue, die anderen die radikale Deutung. Kunst funktioniert aktuell.

"Operntod" vom 15./16. Juli:

Reißt doch gleich den Dom ein

Aus dem Artikel "Operntod" von Reinhard J. Brembeck liest man Bedauern heraus, dass es wegen des Widerstands von Dirigenten, Sängern, Publikum und Intendanten bisher nicht gelungen ist, Operntexte oder Partituren umzuschreiben. Gott sei Dank! Wo bleibt der Respekt vor jahrhundertealten Kulturschöpfungen? Diese nur noch als Spielwiese für blödsinnige Umdeutungen und Erfindung neuer Geschichten zu missbrauchen, sollte sich für jeden verantwortungsvollen Kulturschaffenden oder -umsetzer von selbst verbieten. Würde man diese Linie auch bei anderen kulturellen Höchstleistungen der Vergangenheit verfolgen, müsste man anfangen, gotische Dome und prächtige Barockkirchen mit moderner Architektur zu überbauen oder abzureißen. Die Herren Regisseure und ihre begeisterten Kritiker sollten dann konsequenterweise auch für solche Radikalmaßnahmen eintreten. Ihnen allen gilt nicht nur Widerspruch, sondern auch Mitleid. Beides sei ihnen reichlich zugesprochen.

Peter-Christian Busch, München

Oper will Frische

Vor lauter europaweit stattfindenden großen und kleinen Festspielen und der Schwierigkeit, Karten dafür zu bekommen oder sich leisten zu können, sehe ich weit und breit keinen drohenden Tod der Oper oder seine museale Erstarrung. Vielmehr scheint mir der Pessimismus des Autors beruflicher Zwang zu sein. Für Opernbesucher, die nur gelegentlich in die Oper gehen, ist der Abend immer auf- und anregend und schon deshalb jede Inszenierung einigermaßen gelungen. Denn auf das Wie, nicht auf das Was kommt es an, besonders wenn man nicht die Möglichkeiten des Musikkritikers hat, Vergleiche zwischen Regisseuren und Inszenierungen zu ziehen. Radikalinszenierungen sind grundsätzlich erwünscht, auch wenn die Qualität des Experimentes nicht immer überzeugen kann. Die Opernhandlungen des 19. Jahrhunderts verlangen eine Aussetzung der Ungläubigkeit vom Zuschauer, der klug genug ist, etwa die Botschaft der 'Meistersinger' in Hinblick auf die gefühlte Überlegenheit der deutschen Kunst im Kontext ihrer Entstehungszeit zu verstehen und zu genießen. Es ist durchaus möglich, die Oper in konventioneller und frischer Weise zu inszenieren, ohne dass jemand sich wegen deren angeblicher Engstirnigkeit schämen müsste.

Dr. Graham Dry, München

Blähungen von Narzissten

Die erwähnten "Regiegiganten" Hans Neuenfels, Frank Castorf, Calixto Bieito etc. hinterlassen bei dem gebildeten Publikum den Eindruck einer irrsinnigen und narzisstischen Einstellung zu einem Werk, dessen Schöpfer sich nicht mehr gegen den respektlosen Umgang mit seiner Oper wehren kann, da verstorben. Seine dichterische Schöpfung wird verwegen uminterpretiert, missdeutet, verhunzt. Die Konsequenz für das nicht vom Zeilenhonorar und nicht von staatlichen Subventionen lebende Publikum ist, dass die geistigen Blähungen der Regisseure sinn- und zwecklos als vorgeblich intelligenter "flatus" verpuffen. Und bei den weniger erfahrenen Besuchern entsteht ein völlig entstellter Eindruck des ursprünglichen Werks. Sie werden diese "Deutung" für das Original halten und ihr Urteil nicht über die missglückte Inszenierung, sondern über die Oper von Beethoven fällen, und sich den Fidelio sicher nie mehr anschauen. Damit wird dem Operntod erst recht Vorschub geleistet.

Dr. iur. Karlheinz Demel, Forstern

© SZ vom 08.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: