Krankenversicherung:Ohne Rezept

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Jeder will best- und schnellstmöglich behandelt werden. Da sind sich alle einig. Aber wie sieht die passende Krankenversicherung aus? Ist die Bürgerversicherung für alle oder das System aus gesetzlich und privat gerechter?

Wer krank ist, will gut und schnell versorgt werden. Die Versicherung soll keine Rolle spielen. Welches System wird dem Anspruch gerecht? (Foto: Soeren Stache/dpa)

"Beamte muss man locken" vom 10. August:

Dann eben minimal versorgt

Die Kritiker des derzeitigen Gesundheitssystems beklagen immer, dass es in Deutschland eine Zwei-Klassen-Medizin gäbe. In § 12 Absatz 1 des SGB V heißt es: "Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht erwirken und die Krankenkassen nicht bewilligen." Wer die angebliche Zwei-Klassen-Medizin abschaffen will, braucht nur in das Gesetz zu schreiben, dass die Versicherten die bestmöglichen Leistungen beanspruchen können, die Leistungserbringer die bestmöglichen Leistungen zu erbringen und die Krankenkassen die bestmöglichen Leistungen zu bewilligen haben. Diese einfache Lösung vertritt aber keiner der Befürworter der Bürgerversicherung. Wenn alle Leute in der Bürgerversicherung Pflichtmitglied sind, dann sollte für diese weiterhin § 12 Absatz 1 SGB V gelten. Das bedeutet, alle hätten Anspruch auf eine gehobene Minimalversorgung. Um eine Abschaffung der angeblichen Zwei-Klassen-Medizin geht es in Wirklichkeit also nicht. Und die Kosten für diese minimale Versorgung würden durch sehr hohe Beiträge von den "besser Verdienenden" bezahlt. Beim Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze von 4300 Euro sind für die Kranken- und Pflegeversicherung bei Kinderlosigkeit 17,4 Prozent zu zahlen. Das sind 748,20 Euro. Die Verfechter de "Bürgerversicherung" trifft man dann im Erste-Klasse-Bereich der DB-Lounge an. Wolfram Patek Wandsbeker, Hamburg

Nicht mit den Fingern zeigen

Es ist erstaunlich, dass sich immer wieder Leute an dieses Thema wagen, die sich nicht auskennen oder das System nicht verstanden haben. Ich bin seit über 40 Jahren Beamter des Landes Bayern und habe schon einige unqualifizierte Beiträge darüber gelesen, beispielsweise von unserer jetzigen Arbeitsministerin Andrea Nahles. Dabei ist das Thema ist doch gar nicht so schwer: Im Gegensatz zu den privaten Arbeitgebern zahlt der öffentliche Dienst bei aktiven Beamten die Hälfte und nicht einen Großteil ihrer Arztkosten. Für die andere Hälfte muss sich der Beamte bei einer privaten Krankenversicherung selber versichern. Der Beitrag hierfür beträgt bei mir zur Zeit 335 Euro. Wäre ich als Beamter in der AOK, würde der 50-prozentige Anteil 328,25 Euro kosten. Die andere Hälfte müsste mein Dienstherr monatlich zahlen und die Hälfte des Beitrags wären für jeden Beamten fällig. Daran ist zu sehen, dass uns Beamten bei der Krankenversicherung nichts geschenkt wird. Außer dass wir das Privileg haben, die Arztrechnung zu erhalten; sowohl bei der privaten Krankenver- sicherung als auch beim Dienstherren den jeweiligen hälftigen Rechnungsbetrag einzufordern und zu hoffen, dass diese auch alles bezahlen. Ich würde alle bitten, beim Thema "private Krankenversicherung" die Beamten nicht immer als besondere Nutznießer herauszustellen und dauernd mit den Fingern auf die Beamten zu deuten. Wolfgang Lemberger, München

Private nützen Gesetzlichen nicht

Kristina Ludwig schreibt: "Mit den höheren Honoraren für Privatversicherte finanzieren Vertragsärzte ihre Praxen. Davon profitieren auch Kassenpatienten." Das sind gleich zwei unzutreffende Behauptungen. Denn Vertragsärzte (früher Kassenärzte) erhalten über ihre Kassenärztlichen Vereinigungen von den gesetzlichen Krankenkassen nicht nur ein Honorar für ihre ärztliche Tätigkeit, das mindestens dem Gehalt eines Oberarztes in einem Krankenhaus entspricht, nein, sie erhalten auch die gesamten Praxiskosten inklusive Personal bezahlt. Gesetzlich Krankenversicherte profitieren von den privatärztlichen Zusatzeinnahmen also nicht. Vielmehr subventionieren sie die privatärztliche Tätigkeit von Vertragsärzten, weil Ärzte in ihren von gesetzlich Krankenversicherten bezahlten Praxen und bezahltem Personal Privatpatienten behandeln. Gerechter wäre es also, wenn Vertragsärzte anteilig eine angemessene Gebühr für die Behandlung von Privatpatienten zahlen müssten. Gerechter wäre es zudem, wenn die gesetzlich Versicherten nicht auch die privatärztlichen Behandlungskosten der Beamten bezahlen müssten. Udo Barske, Berlin

Solidarisch wird bestraft

Als einer der wenigen Beamten, die gesetzlich versichert sind, empfinde ich die Situation schon lange als ungerecht. Zwar habe ich die Möglichkeit, mich gesetzlich zu versichern, doch dann muss ich die Kosten (heißt den vollen Beitrag) selbst tragen, während der Staat sich meine Beihilfe einspart. Warum wird der Beitrag für die gesetzliche Krankenkasse nicht vom Staat mit getragen, so wie bei jedem Angestellten die Hälfte durch den Arbeitgeber gezahlt wird? Meiner Ansicht nach gibt es keinen vernünftigen Grund, einen Beamten, der freiwillig in die solidarische, gesetzliche Krankenversicherung einzahlt, auf diese Art zu benachteiligen. Nur für die Versicherungsunternehmen ist es eine komfortable Situation, da sie dadurch einen steten Zulauf an Neukunden bekommen; wie in dem Artikel geschrieben, sind ja knapp die Hälfte der Privatpatienten Beamte. Prof. Dr. Ulrich Margull, Regensburg

Flexibler Wechsel nötig

Bei der längst fälligen Überwindung der Zweiteilung und Zwei-Klassen-Behandlung der Krankenversicherten drängt sich auch die Frage auf: Wie kann künftig ein Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung für weniger betuchte Selbständige ermöglicht werden, wenn jemand jahrzehntelang brav eingezahlt hat, dann aber aufgrund höherer Prämien nicht mehr in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen? Im vorliegenden Fall kündigte die Private Krankenversicherung den Vertrag. Der bisher Versicherte ist inzwischen im Rentenalter und kann nicht mehr in eine gesetzliche Versicherung wechseln. Er steht jetzt ohne jegliche Krankenversicherung da und die theoretische Möglichkeit, ein festes Arbeitsverhältnis für gefordert mindestens ein Jahr zu finden, ist ihm altersbedingt und von manchen Gebrechen geplagt, versagt. Sämtliche Ansprüche sind verfallen. Wahrscheinlich sind von dieser Problematik Hunderttausende hierzulande betroffen. Es wäre ein zusätzliches Argument für die Bürgerversicherung. Jochen Freihold, Berlin

© SZ vom 29.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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