Krankenversicherung:Das System ist das Problem, nicht der Arzt

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Wer bekommt schneller einen Termin, der gesetzlich oder der privat Versicherte? Über dieser Frage darf man aus Sicht von Lesern nicht vergessen, das Problem an der Wurzel zu packen. Und das sei die Deckelung der Pauschalen, meinen sie.

Da steigt der Blutdruck: Die Pauschalierung der Kosten in der gesetzlichen Krankenversicherung benachteiligt nicht nur Patienten, sondern auch Ärzte. Viele sehen sich durch die Debatte über schnelle Arzttermine an den Pranger gestellt. (Foto: dpa)

"Patient statt Portemonnaie" vom 12. Januar und "Alle drei Monate wieder" vom 11. Januar:

Wir werden immer weniger

Als niedergelassene Hausärztin mit überwiegend Kassenpatienten möchte ich für die Kollegen, "die sich vom Geld beeinflussen lassen", ein gutes Wort einlegen. Das Phänomen der Abstaffelung der Bezahlung am Ende eines Quartals führt also nach wissenschaftlicher Studie tatsächlich dazu, dass Ärzte nicht mit Engagement zu niedrig oder nicht mehr bezahlte Leistungen erbringen. Kaum zu fassen. Würde der Bäcker am Ende des Monats sein Brot zur Hälfte des Preises verkaufen, weil der Kunde kein Geld mehr hat? Lebenswichtige Termine/Untersuchungen werden nicht verschoben. Dass planbare Untersuchungen in einen Zeitraum geschoben werden, in dem sie bezahlt werden, kann einem immerhin selbständigen Betriebsleiter nicht vorgeworfen werden.

Als Hausärztin in Baden-Württemberg bin ich aus diesem Abstaffelungsverfahren übrigens "raus". Wir sind so wenige geworden, dass Kassen uns tatsächlich alle gebrachten Leistungen vergüten. Die Versorgung der Patienten ist sonst nicht aufrechtzuerhalten, falls wir aus wirtschaftlichen Gründen noch weniger würden. Dass wir "aussterben", zeigt, wie schlecht die wirtschaftliche Situation für uns oft ist. Bettina Scheid-Mosbacher, Bad Wimpfen

Die Kassen zahlen zu wenig

Der Artikel "Alle drei Monate wieder" erklärt nicht deutlich genug, warum Ärzte am Ende des Quartals immer weniger Patienten behandeln: weil die gesetzlichen Kassen nichts mehr für die Behandlung zahlen. Es wäre auch richtig gewesen, einmal in Euro darzustellen, was ein Facharzt für die Behandlung eines Kassenpatienten insgesamt pro Quartal erhält, egal wie oft der Patient den Arzt besucht. Ohne Patienten mit Privatversicherung müssten ohnehin viele Arztpraxen schließen. Die Praxismiete und die Gehaltskosten für Helferinnen fallen ja allemal an, und leben will selbst ein Arzt auch. Geben Sie Zahlen in Euro bekannt und vergleichen Sie diese mit Handwerkerrechnungen! Auch eine Bürger- oder, besser, Zwangsversicherung für alle würde daran nichts ändern, nur dass alle warten müssten, wobei ein freiheitlicher Staat eine private Zusatzversicherung ja nicht ausschließen kann. Man könnte ja, wie dargestellt, die ambulanten Ärzte mit einem festen Monatsgehalt bezahlen (wie hoch, wie viele Patienten pro Tag, Streikrecht?). Aber dann hätte man ja auch gleich das damalige DDR-Gesundheitswesen auf die ganze Bundesrepublik übertragen können. Philipp Bastian, Hannover

Starke in Solidarität einbinden

Der Hype um schnellere Arzttermine versperrt den Blick auf entscheidende Aspekte einer Bürgerversicherung: Auf der Einnahmeseite ist unsere Krankenversicherung eine absurde Welt, weil Solidarität nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze gilt. Wer mehr Solidarität leisten könnte, zahlt nur gedeckelt oder klinkt sich ganz aus. Wer zum Teil von Mieten, Honorareinnahmen, Zinsen lebt, leistet Solidarität nur auf sein Arbeitseinkommen. Schöne Solidarität: Schwache helfen Schwachen, Starke halten sich raus!

Auf der Leistungsseite bleibt es absurd: Der ernsthaft Kranke aus der gesetzlichen Krankenversicherung wird in aller Regel rechtzeitig und vom richtigen Arzt behandelt, wir sollten uns das nicht schlechtreden. Einige "innovative" Leistungen mit fragwürdiger Evidenz mögen fehlen. Der Privatversicherte muss dafür andere Leistungen missen wie Haushaltshilfen für die Familie. Im Gegenzug bekommt er gerne etwas mehr Diagnostik und Therapie, und für jede Lappalie kommt der Chefarzt.

Eine gut gemachte Bürgerversicherung könnte die Starken konsequenter in die Solidarität einbinden. Und sie könnte die Verzerrungen auf der Leistungsseite beheben. Die Gesamtbezahlung muss dabei natürlich stimmen.

Soll sich, wer mag, doch zusätzlich privat versichern und ein paar Extras bekommen, mehr Service, eine Zeitung, ein Einzelzimmer, schnelle Termine. In den Kernleistungen sollte der kleine Unterschied aufgehoben werden, vor allem die Chefarztfixierung. Jedenfalls sollten wir die Neiddebatte um schnelle Arzttermine beenden. Auch die Höhe von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen ist nur Ablenkung für mathematisch Unbegabte. Es gibt Wichtigeres zu diskutieren! Dr. Markus Holtel, Lüdinghausen

Ärztliches Ethos

Zur Karikatur auf Seite 4 vom 12. Januar: Ich führe mit meiner Kollegin eine hausärztliche Gemeinschaftspraxis in der Nähe von Regensburg auf einem kleinen Dorf. Ich lade den Zeichner oben genannter Karikatur herzlich ein, uns an einem ganz normalen Arbeitstag bei unserer Tätigkeit in der Praxis und bei Hausbesuchen zu begleiten, um dann aus dem persönlich Erlebten heraus zu beurteilen, ob wir Hausärztinnen tatsächlich die Kassenpatienten vor dem Sprechzimmer stehen lassen, um den Privatversicherten die Türe weit aufzuhalten. Ein solches Vorgehen widerspräche unserem ärztlichen Ethos völlig und wird auch in den hausärztlichen Praxen unserer Kolleginnen und Kollegen in den Nachbargemeinden ganz sicher nicht praktiziert. Dr. Katja Schönhärl, Lappersdorf

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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