Brexit:Sirenenklänge von jenseits des Kanals

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"Wir verlassen die EU, aber nicht Europa", meinte die britische Premierministerin Theresa May zum Brexit ihres Landes. Leser sind von diesem Schritt nach wie vor nicht begeistert und empfehlen May etwas weniger falsche Rhetorik.

"Kleinbritannien" vom 1./2. April und "May: Wir verlassen die EU, nicht Europa" vom 30. März:

Auf Ruhm versessene Lady

Wer versteht schon die Engländer, dieses wie Christian Zaschke schreibt, "aufgeklärte und pragmatische Volk"? Da lassen sie sich von einem Boris Johnson und Nigel Farage mit Fake News knapp mehrheitlich in eine Entscheidung für den Brexit treiben und folgen den Sirenenklängen einer narzisstischen Theresa May für ein "wahrhaft globales Großbritannien". Und die Abgeordneten der Konservativen Partei, die sich ursprünglich mehrheitlich gegen den Brexit ausgesprochen hatten, wagen es hasenfüßig nicht, gegen Mrs. May aufzubegehren, da sie Angst haben, vom Wahlvolk abgestraft zu werden, für ein Verhalten, das Mrs. May als undemokratisch bezeichnete, da es die Brexit-Entscheidung des Volkes verfälsche.

Wo bleibt da das "aufgeklärte und pragmatische Volk", wann wacht es endlich auf und merkt, dass es einer narzisstischen, auf Ruhm und Macht versessenen Lady aus der Oberschicht wie die Hamelner dem Rattenfänger gefolgt ist?

May hatte sich vor einem Jahr mit guten Argumenten gegen den Brexit ausgesprochen, hatte dann aber nach der knappen Brexit-Entscheidung der Engländer die Seiten gewechselt und sich an die Spitze der etwa 100 von 330 konservativen Abgeordneten gestellt, die den Brexit befürwortet hatten. Mays Verhalten und ihr Auftreten in der Öffentlichkeit seitdem lassen den Schluss zu, dass sie in der Brexit-Entscheidung eine Chance sah, sich als Retterin der Konservativen Partei und als bedeutende Persönlichkeit der britischen Geschichte zu inszenieren.

Jürgen Einhoff, Hildesheim

Verarmte Provinzen

Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass die eigentlichen Motive für den Brexit des Vereinigten Königreiches weniger ökonomischer, sondern psychologischer Natur sind. Dies ist auch die Kernaussage des vorzüglichen SZ-Beitrags von Christian Zaschke. Das United Kingdom hat den Verlust seiner früheren Weltmachtrolle noch nicht verarbeitet und sieht jetzt - übrigens ähnlich wie die Schweizer Eidgenossen - in Brüssel "fremde Vögte" walten, die die Interessen Großbritanniens malträtieren würden. Dabei hat Großbritannien durch seine De-Industrialisierung seine Provinzen verarmen lassen und mit der Aufblähung des Finanzsektors in London innerhalb des eigenen Landes eine Art Singapur-Domäne geschaffen, die aber in Gesamtbritannien ein völliges Eigenleben führt.

Es trifft den Punkt, wenn Zaschke schreibt: "Empire - Nostalgie und der Glaube an die eigene Außergewöhnlichkeit verleiteten viele Briten zum Ausstieg aus der EU." Allein der Erfahrungsaustausch zwischen den bisher 28 EU-Mitgliedern ist doch von unschätzbarem Wert. Und dieser Ressource begibt sich nun England, ohne dazu in irgendeiner Weise gezwungen worden zu sein. Wenn man erst einmal die vielen polnischen und anderen osteuropäischen Handwerker aus englischen Landen vergrault hat, wird man sehr rasch feststellen, dass das Umschalten auf eine Politik der Anti-Immigration verheerende Folgen für die britische Volkswirtschaft haben wird. Der Autor meint zum Schluss seiner Ausführungen: Die Fantasten haben derzeit das Sagen (im UK). Ob sich in den Austrittsverhandlungen wieder mehr Vernunft durchsetzt, wird man abwarten müssen.

Sigurd Schmidt, Bad Homburg

Angst in Bayern

Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan hat in Brüssel die britische Regierung aufgefordert, die Rechte der europäischen Staatsbürger in Großbritannien nach dem Austritt des Landes aus der Europäischen Union zu gewährleisten. Er setzt sich dafür ein, dass diese mehr als eine Million Bewohner der britischen Hauptstadt weiterhin in England wohnen und arbeiten können. Bisher hatte die zentrale Regierung solche Forderungen abgelehnt, mit der Begründung, man wolle auf das Entgegenkommen der anderen Mitgliedsstaaten warten.

Für die mehr als 18 000 Briten, die wie ich in Bayern leben, ist diese Situation problematisch. Die Bundesregierung und die bayerischen Behörden müssen eine klare Lösung entwickeln - sonst leben wir in einer Grauzone ohne Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen. Die Kapazitäten in den nächsten zwei Jahren für die Bearbeitung der Anträge auf ein dauerhaftes Bleiberecht reichen bei Weitem nicht aus. Schon heute hören wir von langen Wartezeiten in den Ausländerämtern, zum Beispiel bei der Einbürgerung.

Eine klare Garantie der Bundes- und Staatsregierungen, dass die hier lebenden britischen Staatsbürger weiterhin in Deutschland bleiben können, würde uns beruhigen und sicherlich auch eine Entscheidung zu Gunsten der deutschen Staatsbürger im Vereinigten Königreich fördern.

Dr. Robert Harrison, Zorneding

So verlässt man auch Europa

Wer die EU verlässt, verlässt auch Europa und sollte konsequenterweise auch die Nato und die OSZE verlassen. Ich habe die englische (nicht die britische!) Denkweise in den vier Jahren, die ich als Bundeswehrangehöriger in Großbritannien gelebt und gearbeitet habe, ganz gut kennengelernt. Ich bin für einen harten Brexit. Die Briten wollen raus, dann sollen sie auch spüren, was das heißt. Keine wirtschaftlichen Zugeständnisse, welcher Art auch immer, Visumspflicht für Briten in der EU, möglichst hohe Zölle auf in Großbritannien gefertigte Waren aller Art, kein britisches Unternehmen sollte in der EU handeln dürfen ohne eine nur mit einheimischen Mitarbeitern besetzte Unternehmensfiliale in einem EU-Land. Die Bundesregierung sollte auf BMW und VW sowie Opel (Vauxhall) einwirken, ihre Firmen in Großbritannien ersatzlos zu schließen.

Ich wünsche den Schotten viel Glück und Erfolg bei ihrem nächsten Versuch, Großbritannien zu verlassen und als unabhängiger Staat wieder in die EU zurückzukehren.

Ingo G. Adams, München

Böse Buben

Beilage "Panama Papers" vom 4. April: Sie zählen auf: Isle of Man, Jersey, Gibraltar, Hongkong, Britische Jungferninseln. Und mir fällt es wie Schuppen von den Augen: Der Brexit könnte dringend notwendig sein, um die Schwarzgeldoasen des gerade noch Vereinigten Königreichs zu retten vor Leuten wie den bösen Buben von SZ, WDR und NDR. Weitermachen!

Dr. Hans Baiker, Detmold

© SZ vom 07.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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