Vertreter:"Bei vielen Kunden gehöre ich zur Familie"

Vom Klinkenputzen, Hausbesuchen und dem Vertrauensdienst am Kunden: Vier Vertreter erzählen aus ihrem Arbeitsalltag.

Von Christine Demmer

Langer Atem

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(Foto: privat)

Fernando Molina Metzger, 37, ist Maschinenbauingenieur und MBA bei der Herrenknecht AG in der Nähe von Lahr im Schwarzwald. Er kümmert sich um den Vertrieb von Tunnelvortriebsmaschinen: "Am Vertrieb gefällt mir der Kundenkontakt und die Beratung, welche Tunnelvortriebsmaschine sich für ein Projekt am besten eignet. Mal soll ein Eisenbahntunnel in den Anden gebaut werden, mal eine U-Bahn in Brasilien - das sind schon in geologischer Hinsicht echte Herausforderungen. Ich bin Deutsch-Spanier und habe sieben Jahre lang im Projektmanagement gearbeitet, oft direkt auf den Baustellen. Seit viereinhalb Jahren kümmere ich mich als Area Sales Manager um unsere Projekte in Lateinamerika, Spanien und Portugal. Alle paar Wochen bin ich vor Ort, treffe Kunden und unterstütze bei der Gewinnung neuer Infrastrukturprojekte. Da sind häufig verschiedene Bauunternehmen in einer Arbeitsgemeinschaft, solche, die unsere Maschinen schon kennen und solche, denen ich die gerne erkläre. Wir arbeiten oft jahrelang an einem Projekt. In Europa läuft der Vertrieb strukturierter ab als in Lateinamerika: Ausschreibung, Zuschlag, das geht zack, zack. In Lateinamerika kann sich eine Ausschreibung schon mal über Jahre ziehen. Was mir am Vertrieb gar nicht gefällt? Wenn wir ein Projekt verlieren."

Das ganze Paket

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(Foto: tz)

Heike Bergmann, 46, ist bei Voith Hydro in Heidenheim verantwortlich für den Vertrieb von Wasserkraftwerken: "Zu Beginn meines Wirtschaftsingenieur-Studiums fand ich, dass die Technik greifbarere Ergebnisse liefert als die Betriebswirtschaft. Aber gerade im Anlagenbau muss man technische und kaufmännische Komponenten zusammenbringen, wenn man erfolgreich verkaufen will. Das macht für mich einen Teil der Faszination aus. Bei Großprojekten sind die kaufmännischen Aspekte mittlerweile sogar von stärkerer Bedeutung als die technischen. Das gilt vor allem für Länder, in denen die Finanzierung kein Selbstläufer ist. In Afrika ist das Potenzial der Wasserkraft bei Weitem nicht ausgeschöpft. Meine Gesprächspartner sind meist staatliche Energieversorger. Da geht es immer auch um die Finanzierung von Projekten. Hier unterstütze ich die Kunden und bringe sie mit wichtigen Gesprächspartnern zusammen, bin verantwortlich dafür, dass Positionspapiere und Projektstrategien erstellt, Kundenveranstaltungen organisiert werden und der Kontakt zu den Beratungsgesellschaften gehalten wird. Ich bin viel auf Reisen, im Schnitt zweimal im Monat, hauptsächlich in Afrika."

Teil der Familie

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(Foto: tz)

Christof Rattinger, 51, ist seit 21 Jahren selbständiger Allianz-Generalvertreter in München: "Ich arbeite sowohl in meinem Büro als auch vor Ort bei den Kunden. Firmenkunden besuche ich eher am Vormittag, Privatkunden eher am Nachmittag. Manchmal zieht sich das in den Abend hinein, dafür kann ich am nächsten Morgen auch mal etwas später anfangen. Als Bankkaufmann, Betriebswirt und Versicherungsfachmann kenne ich mich auch bei kniffligen Fragen aus. Daher biete ich nicht nur Produktberatung, sondern eine Rundumbetreuung zu Versicherungen, Vermögensanlage und Immobilien. Bei vielen Kunden gehöre ich gewissermaßen zur Familie. Wenn die von ihrem Versicherungsfuzzi sprechen, ist das nicht böse gemeint, sondern liebevoll. Man liest immer, dass der Versicherungsvertreter schlecht angesehen ist. Davon merke ich nichts. Gut, bei Neukunden spürt man eine gewisse Skepsis. Aber wenn die merken, dass man ihnen helfen kann und nicht aufs Geld aus ist, öffnen die sich. Versicherung ist ein Vertrauensgeschäft."

Hausbesuch

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(Foto: tz)

Claudia Studtmann, 47, arbeitet seit zehn Jahren als Kundenberaterin beim Staubsaugerhersteller Vorwerk in Wuppertal: "Fünf Jahre lang bin ich in Wuppertal von Tür zu Tür gelaufen und habe Privatpersonen unsere Produkte vorgestellt mit dem Ziel, einen Abschluss zu tätigen. Das funktioniert aber inzwischen nicht mehr. Heute informieren wir über unsere Produkte an Promotion-Ständen in Supermärkten, im Baufachhandel und auf Stadtfesten - überall dort, wo viele Menschen sind. Wenn aus Passanten dann Kaufinteressenten geworden sind, biete ich ihnen an, den Staubsauger, den Saugroboter oder den Fensterreiniger bei sich zu Hause auszuprobieren. Wir vereinbaren einen Termin, und dann gehe ich dorthin. Ich führe das Gerät vor, beschreibe die Technik, erkläre die Bedienung, und die Kunden können das gewünschte Gerät bei mir bestellen. Meine Vorführgeräte kann ich zwar nicht dalassen, aber den Saugroboter verleihe ich schon mal übers Wochenende. Eine Fünf-Tage-Woche habe ich nicht. Wenn der Interessent sagt, er habe nur am Samstag oder Sonntag Zeit, dann richte ich es mir ein. Meine Familie hat dafür Verständnis. Und die Kunden danken es mir, wirklich. Wenn man Menschen mag und offen auf sie zugeht, bekommt man viel Wärme zurück. Das Schöne am Direktvertrieb ist das Zwischenmenschliche. Und die flexible Zeiteinteilung."

© SZ vom 30.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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