Studentenleben:Schluss mit lustig

Sechs-Tage-Woche, Vorlesungen bis abends um 22 Uhr und Kompakt-Seminare in den Ferien: Nach Bachelor und Master sorgt jetzt der Studenten-Andrang für eine härtere Gangart an den Hochschulen.

Johann Osel

Seine Bescheidenheit erlaube es nicht, schreibt Heinrich Heine in der "Harzreise", die Anzahl der geleerten Flaschen zu nennen. Doch was zuvor im Kreise von Studenten auf der Berghütte geschah, spart er nicht aus: "An unserem Tische wurde es immer lauter und traulicher, der Wein verdrängte das Bier, die Punschbowlen dampften, es wurde getrunken, smolliert und gesungen. Die Flaschen wurden leerer und die Köpfe voller."

Thueringen sieht moeglichem 'Ansturm' auf die Hochschulen positiv entgegen

Studenten müssen sich auf eine Sechs-Tage-Woche einstellen.

(Foto: dapd)

Und vom Vormärz-Dichter Robert Prutz soll gar das Lied stammen: "'s gibt kein schöner Leben als Studentenleben, wie es Bacchus und Gambrinus schuf." Bis heute herrscht oft das Bild vom Studenten vor, der sich mittags aus dem Bett schält, zum subventionierten Mittagessen in die Mensa schlurft, den Tag dann im Kaffeehaus totschlägt und am Abend den örtlichen Kneipenwirten Gutes tut.

Nun drohen Einschnitte in das studentische Leben, falls es in dieser zugespitzten Form je existiert haben mag: Weil es durch die Aussetzung der Wehrpflicht und die doppelten Abiturjahrgänge in einigen Ländern im Sommer einen Studentenansturm geben wird, üben sich Rektoren in kreativem Management ihrer Kapazitäten.

"Wir werden alles tun, um ausreichend Studienplätze zur Verfügung zu stellen", sagte Jürgen Hesselbach, Vorsitzender der niedersächsischen Landeshochschulkonferenz, und stellte zugleich den künftigen Studenten Verpflichtungen in Aussicht: Samstage könnten genutzt werden, um den Andrang zu bewältigen, die Studenten müssten sich auf eine Sechs-Tage-Woche einstellen, zudem auf Vorlesungen bis abends um 22 Uhr und Kompakt-Seminare in den Ferien. "Der ganze Vorlesungsbetrieb wird anormal laufen", sagte Hesselbach, der auch Präsident der Technischen Universität Braunschweig ist.

Einen Job haben sie auch noch

Veränderungen hatte schon die Bologna-Reform gebracht, also die Umstellung auf Bachelor und Master: Durch das System von Leistungspunkten ist der Arbeitsaufwand von Studenten messbar geworden. Dozenten berechnen heutzutage einen "Workload" aus der Präsenz im Hörsaal und der Nachbereitung zu Hause. Und wegen studienbegleitender Prüfungen zählt jeder Schnitzer für den Abschluss. Manche Studenten beklagen daher eine "Ökonomisierung" der akademischen Bildung. Und psychologische Beratungen melden mehr studentische Kundschaft mit Angst vor den gestiegenen Ansprüchen, bis hin zum Burn-out.

Berechtigte Klagen? Die jüngste Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks und des Hochschul-Informations-Systems zeigt, dass es kein Pauschalurteil beim Zeitbudget gibt. Studenten arbeiten im Durchschnitt 44 Stunden pro Woche - für Studium plus etwaige Nebenjobs. Die Bandbreite ist enorm: 29 Prozent haben ein Pensum von weniger als 30 Stunden, 31 aber mehr als 50, und 13 sogar mehr als 60. Gerade Jobs trüben das fröhliche Studentenleben: Zwei Drittel der Studenten sind erwerbstätig, ein großer Teil nicht nur in den Ferien, sondern laufend. Die Hälfte davon sagte, dies sei schlicht zum Lebensunterhalt nötig, nicht für Extras oder Luxus.

"Das ist ein Unding, weil die Belastung jetzt schon groß ist, und Studenten oft am Abend und am Wochenende zu Hause lernen. Diese Zeit darf nicht auch noch durch Veranstaltungen blockiert werden", empört sich Florian Pranghe vom studentischen Dachverband fzs über die aktuelle Idee aus Niedersachsen. Vielmehr bräuchten Hochschulen eine bessere Grundfinanzierung für mehr Dozenten und bessere Studienbedingungen im normalen Betrieb.

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