Spanische Elite-Uni IESE: Dekan im Interview:"Führungskräften von heute fehlt es an Demut"

Jordi Canals, Dekan der weltweit führenden Business School IESE, erklärt, was einen guten Chef ausmacht, welchen Einfluss Opus Dei auf seine Uni hat - und wie wichtig Soft Skills sind.

Maria Holzmüller

Jordi Canals ist Dekan einer der international führenden Business Schools, der zur Universität Navarra gehörenden IESE (Instituto de Estudios Superiores de la Empresa). Die spanische Hochschule, die auch eine Niederlassung in München hat, liegt bei allen MBA-Rankings mit vorne dabei, der Economist hat das MBA-Programm der IESE als bestes weltweit ausgezeichnet. Die Hochschule wurde von der umstrittenen katholischen Gruppierung Opus Dei initiiert. Im Interview spricht Jordi Canals über die Ausbildung von Führungskräften, religiöse Einflüsse und die Zukunft der MBA-Programme.

Jordi Canals Dean of IESE Universität Navarra

Jordi Canals ist Dekan der renommierten Business School IESE in Barcelona. Er weiß, welche Fähigkeiten eine Führungskraft auszeichnen.

(Foto: IESE)

sueddeutsche.de: Welche Fähigkeiten zeichnen eine gute Führungskraft aus?

Jordi Canals: Eine gute Führungskraft sollte drei Qualitäten besitzen: Zum einen sollte sie sich in ihrem Arbeitsbereich auskennen, sie sollte kompetent sein. Zweitens sollte sie gut mit Menschen umgehen können. In unserer globalisierten Welt arbeiten in einem Unternehmen Menschen aus der ganzen Welt zusammen, mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund. All diese Leute für ein gemeinsames Ziel zu motivieren, ist eine Kunst. Die Fähigkeit, Menschen zu managen, wird für Führungskräfte immer wichtiger. Die dritte Qualität ist politische Begabung. Führungskräfte müssen strategisch denken und ihr Unternehmen samt Mitarbeiter in die Zukunft führen.

sueddeutsche.de: Können diese drei Qualitäten von Universitäten vermittelt werden?

Canals: Universitäten sind gut darin, Fachwissen zu vermitteln. Im besten Fallen bieten sie außerdem den Rahmen, in dem Studenten und Professoren in einen Austausch treten und voneinander lernen. Besonders wenn es sich um MBA-Studenten handelt, die schon ein paar Jahre Berufs- und Lebenserfahrung hinter sich haben. Eine Business School kann diesen Leuten helfen, über ihre Arbeit nachzudenken.

sueddeutsche.de: Lehrt sie auch den richtigen Umgang mit Menschen, die sogenannten Soft Skills?

Canals: Mit Soft Skills ist das so eine Sache. Oftmals wird alles, was nicht in einen regulären Stundenplan passt, in eine Box geworfen und man schreibt Soft Skills drauf. Tatsächlich lassen sich Soft Skills nur schwer lehren. Um zu wissen, worauf es beim Umgang mit Menschen ankommt, ist oftmals sehr viel Erfahrung und Übung nötig.

sueddeutsche.de: Die IESE unterscheidet sich in mehreren Aspekten von anderen Business Schools. Sie liegt bei den Hochschulrankings immer ganz vorne - und die Hochschule ist mit der katholischen Gemeinschaft Opus Dei verbunden. Wie beeinflusst das die Ausbildung?

Canals: Ziel der Organisation ist es, Menschen dazu zu animieren, nach christlichen Idealen zu leben - egal ob sie Priester, Bauer oder Manager sind. Die Idee, dass Führung auch mit Dienen zu tun hat, ist deshalb innerhalb der IESE stark ausgeprägt. Aber an unserer Hochschule sind Studenten aus der ganzen Welt, mit unterschiedlichstem religiösem Hintergrund. Sie sind zu Beginn ihres Studiums meist Ende 20, haben also genaue Vorstellungen davon, wie sie denken und leben wollen. An der IESE werden sie immer wieder angeregt zu reflektieren, warum sie welche unternehmerische Entscheidung fällen würden. Es geht darum, auch die ethische Urteilskraft der Studenten zu schärfen.

Rekrutierungszentrum für Opus Dei?

sueddeutsche.de: Was sagen Sie Kritikern, die der katholischen Organisation Opus Dei vorwerfen, den IESE-Campus als Rekrutierungszentrum für neue Mitglieder zu missbrauchen?

Canals: Lediglich der Kanzler der Universität von Navarra wird von Opus Dei ernannt, er hat aber keine exekutive Macht. Wir beschäftigen mehr als 160 Dozenten aus der ganzen Welt, nur die wenigsten haben eine Verbindung zu Opus Die. Auf den Unterricht und die Lehre hat die Organisation also überhaupt keinen Einfluss.

sueddeutsche.de: In Folge der Wirtschaftskrise wurde vielfach den skrupellosen und gierigen Managern die Schuld an der Misere gegeben. Lief da was falsch in der Ausbildung?

Canals: Ja. Es wurde vergessen zu vermitteln, dass jedes Unternehmen vor allem aus den Menschen besteht, die dort arbeiten, und dass es das Ziel eines Unternehmens sein muss, für die Kunden da zu sein. Darum geht es bei der Arbeit einer Führungskraft, und nicht darum, möglichst viel Geld zu verdienen und die Teilhaber zufriedenzustellen. Viele Manager streben aber vor allem danach, das Unternehmen wachsen zu lassen - ohne irgendeine Art von Risikomanagement. Dabei sollten sie vor allem an ihre Angestellten denken - die müssen motiviert werden. Nur dann kann auch das Unternehmen erfolgreich sein.

sueddeutsche.de: Wie lassen sich Arbeitnehmer motivieren? Durch höhere Gehälter und Boni?

Canals: Finanzielle Anreize reichen zur Motivation allein nicht aus. Auch der Umgang im Unternehmen muss stimmen, Angestellte wollen sich respektiert fühlen. In einem Unternehmen müssen ethische Werte spürbar sein - sind die nicht da, dann werden am Ende sowohl die Angestellten als auch die Kunden wegbleiben.

sueddeutsche.de: Manche Universitäten, wie zum Beispiel die Harvard Business School, haben inzwischen einen moralischen Eid eingeführt. MBA-Studenten schwören vor ihrem Abschluss, dass sie das Wohl der Gesellschaft über ihren eigenen Profit stellen. Bringt so ein Eid etwas?

Canals: Ethische Werte sind sehr wichtig in der Ausbildung. Der Eid allein ändert aber nicht viel. Ich halte auch wenig davon, Ethik als Pflichtfach einzuführen. In jedem einzelnen Kurs müssen ethische Aspekte eine Rolle spielen, das lässt sich nicht aus dem Gesamtkontext heraustrennen.

Ein Risiko des Scheiterns gibt es immer

Campus IESE Universität Navarra Barcelona

Malerischer Campus, ausgezeichnete Lehre: Die Business School IESE liegt bei Hochschulrankings immer vorne.

(Foto: IESE)

sueddeutsche.de: Was vermissen Sie an heutigen Führungskräften?

Canals: Es fehlt ihnen oft an Demut. Wir denken, mit Hilfe der Technik können wir alles schaffen - und vieles ist ja tatsächlich möglich. Aber dabei vergessen wir oft, dass in der Zusammenarbeit von Menschen immer ein Risiko des Scheiterns besteht. Vielen Managern fehlt zudem der Anspruch, mit ihrer Arbeit der Gesellschaft einen Dienst zu erweisen. Ziel sollte immer sein, professionelle Exzellenz zu erreichen - ohne den Respekt für die Menschen, die daran beteiligt sind, zu verlieren. In einem Unternehmen hat jeder einzelne Angestellte seinen Stellenwert.

sueddeutsche.de: Müssen Unternehmen mehr für ihre Angestellten tun?

Canals: Ja, wenn sie junge Talente an sich binden wollen, müssen sie auf sie zugehen. Sie müssen ihnen flexible Arbeitszeitmodelle bieten, die Raum für Fortbildungen und die Familie lassen. Natürlich alles in einem wirtschaftlichen Rahmen. Unternehmen sind nun mal keine Wohltätigkeitseinrichtungen.

sueddeutsche.de: Seit diesem Jahr gibt es an der IESE eine einwöchige MBA Summer School für pauschal 1200 Euro. Was hat es damit auf sich?

Canals: Sie richtet sich an Studenten, die sich für einen MBA interessieren, sich vorher aber noch mal selbst ein Bild davon machen wollen.

sueddeutsche.de: Hat dieses Angebot mit einer Krise der MBA-Programme zu tun? Nach der Wirtschaftskrise hat das Interesse an MBA-Programmen nachgelassen.

Canals: Davon haben wir an der IESE nichts gemerkt. Im vergangenen Jahr hatten wir so viele Bewerbungen wie noch nie zuvor. Aber das Angebot wird immer unüberschaubarer. Ich glaube, dass sich das Feld der MBA-Angebote stark segmentieren wird. Es werden sich allgemeine Programme durchsetzen, für Bewerber mit drei bis fünf Jahren Berufserfahrung. Und es wird Executive-MBA-Programme für Manager mit acht bis 15 Jahren Berufserfahrung geben. Alles andere wird nicht mehr den Namen MBA tragen, sondern unter dem Begriff Master firmieren.

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