Hausangestellte massiv ausgebeutet:Gericht weist Klage gegen Diplomaten ab

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Sie musste fast rund um die Uhr arbeiten, wurde misshandelt und erhielt keinen Lohn: Ein Diplomat in Berlin soll eine Hausangestellte wie eine Sklavin gehalten haben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage gegen den saudischen Attaché nun für unzulässig erklärt - mit Verweis auf die diplomatische Immunität. Doch die Klagevertreter wollen den Gesandten nicht so einfach davonkommen lassen.

Barbara Galaktionow

Die Klage gegen einen Diplomaten wegen angeblicher Ausbeutung einer Hausangestellten bleibt auch in zweiter Instanz ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat sie als unzulässig abgewiesen.

Ein Attaché aus Saudi-Arabien soll seine indonesische Hausangestellte misshandelt haben. Doch bislang wird der Fall aufgrund der diplomatischen Immunität nicht vor Gericht behandelt. (Foto: dpa)

Bei der Klage geht es um 70.000 Euro Lohn und Schmerzensgeld - doch vor allem auch um die Frage, ob die diplomatische Immunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen aufgehoben werden kann. Denn die Vorwürfe, die eine indonesische Hausangestellte gegen ihren früheren Arbeitgeber, einen saudischen Attaché in Berlin, erhoben hat, wiegen schwer.

Demnach war Dewi Ratnasari, so ihr Pseudonym, von April 2009 bis Oktober 2010 sieben Tage die Woche für die Versorgung des siebenköpfigen Privathaushalts des Diplomaten aus Saudi-Arabien zuständig. Ihr Arbeitstag begann um sechs Uhr morgens und endete oft erst weit nach Mitternacht.

Ihrer eigenen, vom Deutschen Institut für Menschenrechte veröffentlichten Darstellung zufolge, musste die Hausangestellte ohne Matratze auf dem Boden des Kinderzimmers schlafen, wurde misshandelt und erniedrigt. Ihr Pass wurde ihr abgenommen. Ratnasari durfte das Haus des Diplomaten nur unter Aufsicht verlassen und keinen Kontakt zu ihrer Familie aufnehmen, war also vollständig isoliert. Das Deutsche Institut für Menschenrechte, das die Klage zusammen mit der Organisation Ban Ying (einer Beratungsstelle für Betroffene des Menschenhandels) unterstützt, spricht von "faktischer Sklaverei".

Das Landesarbeitsgericht wollte den Fall der Hausangestellten jedoch nicht verhandeln - aus völkerrechtlichen Gründen. Die Klage sei unzulässig, weil ausländischen Diplomaten Immunität vor deutschen Gerichten zugesichert sei, sagte Richter Martin Dreßler. "Das Diplomatenrecht ist unverzichtbar, um die zwischenstaatlichen Beziehungen zu pflegen", sagte Dreßler weiter. Wer hier die Axt anlege, würde diese gefährden.

"Wir wollen grundsätzliche Fragen stellen"

Das Gericht entsprach damit der Argumentation der Verteidigung, die gefordert hatte, die Klage wegen der diplomatischen Immunität zurückzuweisen. Der beklagte Diplomat hatte die Vorwürfe zudem stets bestritten.

Das Landesarbeitsgericht ließ aber die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht zu. Sowohl Heike Rabe, Koordinatorin des Projekts "Zwangsarbeit heute" am Deutschen Institut für Menschenrechte, als auch Anwalt Jürgen Kühling kündigten im Gespräch mit sueddeutsche.de an, diesen Weg auf alle Fälle gehen zu wollen.

Geht es nach ihnen, bildet das Bundesarbeitsgericht ohnehin nicht den Endpunkt des Verfahrens. "Wir werden es auf alle Fälle zum Bundesverfassungsgericht tragen", sagte Rabe. "Wir wollen grundsätzliche Fragen stellen in dem Prozess", bekräftigte auch Anwahl Kühling.

Dewi Ratnasari sei gedemütigt und als Sklavin gehalten worden. "Ich finde, dass das in unserem Land nicht passieren darf - jedenfalls nicht ohne Entschädigung", sagte Kühling weiter. In Fällen solch schwerer Menschenrechtsverletzungen und sogar von Sklaverei müssten Vertragsbestimmungen der diplomatischen Immunität zurücktreten. Der Vorschlag des Gerichts, die Ansprüche der Hausangestellten in Saudi-Arabien durchzusetzen - nach geltendem Recht der einzig gangbare Weg -, sei "so weltfremd, dass wir das nicht in Betracht gezogen haben".

Der Weg bis zum Bundesverfassungsgericht kann allerdings dauern. In eineinhalb bis zwei Jahren könnte hier eine Entscheidung vorliegen, schätzt Heike Rabe - wenn Karlsruhe die Klage denn annimmt.

Für das Leben der früheren Hausangestellten ist die Dauer des Verfahrens - zumindest in finanzieller Hinsicht - glücklicherweise nicht entscheidend. Dank Spenden des Deutschen Instituts für Menschenrechte und der Hilforganisation Ban Ying (thailändisch für "Haus der Frauen") habe die Indonesierin zurück in ihr Heimatland fliegen können und zudem zumindest einen Teil des Betrags erhalten, der ihr als Lohn zustünde, sagte Kühling. Sie lebe daher nicht in akuter Not.

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