Karriere:Laufbahn als Langstrecke

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Beim Frankfurt Marathon gibt es eine eigene Wertung für Führungskräfte. (Foto: Alexander Heinl/dpa)

Disziplin und Willensstärke sind beim Marathon ebenso wichtig wie im Job. Aber kann Laufen auch den beruflichen Erfolg befördern?

Von Andreas Heimann/dpa

Der Marathon gilt für Läufer als die Königsdisziplin. Wer die 42,195 Kilometer schaffen will, braucht Willenskraft, Zielorientierung, Durchhaltevermögen und darf sich nicht durch Rückschläge aus dem Konzept bringen lassen. Diese Eigenschaften sind auch gefragt, wenn man auf der Karriereleiter nach oben kommen möchte. Die Lust auf Leistung im Sport und die auf beruflichen Erfolg sind eng verwandt. Kommen Marathonläufer also auch am Arbeitsplatz schneller vorwärts?

"Es scheint jedenfalls einen Zusammenhang zu geben zwischen Erfolg im Beruf und Erfolg im Sport", sagt Christian Zepp von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Zepp kennt das Thema aus verschiedenen Perspektiven: aus der des Sportwissenschaftlers und der des Marathonläufers. Seine Bestzeit: zwei Stunden und 50 Minuten.

Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht: Dass man durch regelmäßigen, ambitionierten Ausdauersport seine Karriere befördern kann, ist zu schlicht gedacht. Vielleicht ist es sogar anders herum: Diejenigen, die im Sport erfolgreich, durchsetzungsstark und zielorientiert sind, sind das auch oft im Beruf. "Aber diese Werte entstehen nicht ausschließlich, weil Sie Sport machen, es sind häufig angeborene Eigenschaften", erklärt Zepp.

Auch Daniel Holzinger aus Stuttgart, Management Coach, ebenfalls mit Marathonerfahrung (Bestzeit: zwei Stunden, 45 Minuten) ist skeptisch: "Ich kenne Sportler, die beruflich Versager waren, und auch den genau umgekehrten Fall. Es gibt keine Garantie, dass sportlicher Erfolg zu beruflichem führt." Dass Manager oft Marathon laufen, hat aber auch Holzinger beobachtet. Seine Erklärung dafür: Durchhaltevermögen ist eines ihrer Persönlichkeitsmerkmale. "Das sind Beißertypen, die bei Dauerbelastungen sogar Spaß empfinden. Für die ist das deren Komfortzone." Da, wo es anfängt, anderen wehzutun, fühlen sie sich wohl. "Ich war auch so", sagt Holzinger, "für mich konnte die Trainingseinheit früher gar nicht hart genug sein." Wer so tickt, ist entsprechend frustrationstolerant. "Das ist natürlich ein Vorteil für die Karriere."

Wie groß das Interesse von Managern an Bestzeiten auf der Langstrecke ist, zeigt sich jedes Jahr beim Frankfurt Marathon: Dort gibt es seit 2008 eine eigene Wertung für Führungskräfte. Von den etwa 11 800 Teilnehmern beim Lauf im vergangenen Oktober hatten sich immerhin 240 dafür gemeldet. "Und da sind schon einige gute Läufer dabei", sagt Alexander Westhoff, Sprecher des Frankfurt Marathon. Sieger in der Manager-Wertung beim jüngsten Marathon war Oliver Kunz aus Grafenau bei Böblingen mit einer Zeit von zwei Stunden und 39 Minuten. Seinen ersten Marathon ist er 2005 gelaufen. Damals war er Metallbauer und ist beruflich anschließend erst richtig durchgestartet, Key Account Manager geworden und inzwischen Vertriebsleiter bei einem mittelständischen Unternehmen.

Er ist überzeugt, dass Laufen und seine berufliche Entwicklung zusammenhängen: "Laufen bedeutet an die Grenzen gehen. Wer nie an seine Grenzen geht, wird nie wissen, wozu er fähig ist", zitiert Kunz sein Leitmotto. Kunz läuft jede Woche fünf bis sieben Mal, zusammen 80 bis 100 Kilometer. "Die Ideen für Entscheidungen, die ich täglich treffe, entwickele ich alle beim Laufen", sagt er. "Ich habe dabei eine ganz andere Ruhe, als wenn ich die Bürotür hinter mir zumache."

Christian Zepp ist sich sicher, dass Erfolg auch mit der Persönlichkeit zu tun hat. "Die Herausforderung beim Marathonlauf ist die Vorbereitung darauf", sagt der Sportwissenschaftler, "sich monatelang immer wieder die Schuhe zu binden und regelmäßig zu trainieren." Gewissenhaftigkeit, Ehrgeiz, Disziplin und die Fähigkeit, auf ein Ziel hinzuarbeiten, sind dann genauso gefragt wie die, mit Misserfolgen umgehen zu können.

Gerade diesen Aspekt hält der Experte für ausschlaggebend: "Den Umgang mit Rückschlägen, Hindernissen und Verletzungen gelernt zu haben, ist einer der zentralen Punkte." Und solches Wissen könne einen beruflich voranbringen. Das ist nach seiner Einschätzung auch einer der Gründe, warum manche Unternehmen versuchen, ehemalige Leistungssportler als Führungskräfte für sich zu gewinnen. Marathonerfahrung ist also durchaus ein Karriere-Pluspunkt. Wer sie hat, sollte das in seiner Bewerbung nicht verschweigen, rät Zepp.

Aber soll man Langstreckenläufer werden in der Hoffnung, beruflich weiterzukommen? "Super Sache, wenn Menschen sich bewegen", sagt Daniel Holzinger. "Aber ob's immer gleich ein Marathon sein muss, bezweifle ich." Auch Christian Zepp ist überzeugt, dass dies nicht so ist. Bei einer Laufgruppe am Arbeitsplatz mitzumachen, sei aber in jedem Fall gut für das Bedürfnis nach sozialem Eingebundensein, sagt er. "Und es erhöht bei den Teilnehmern teilweise die Bereitschaft, sich beruflich zu engagieren."

Oliver Kunz hat sich zum Laufen nie groß überwinden müssen: "Ich stehe dafür schon mal um fünf auf", sagt er. "Für mich gibt es nichts Schöneres, als morgens eine Stunde raus zu können. Und auf dem Rückweg hole ich dann Brötchen."

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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