Job:Wie der berufliche Schritt ins Ausland gelingen kann

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Für den Banker Ralf Raab ist Pristina eine zukunftsfrohe Stadt mit "mediterranem Lebensgefühl und einer tollen Kaffeehaus-Kultur". (Foto: Valerie Plesch/dpa)
  • Das Centrum für Internationale Migration und Entwicklung (CIM) vermittelt berufserfahrene Fach- und Führungskräfte aus Deutschland und der Europäischen Union an Arbeitgeber in Entwicklungs- und Schwellenländern.
  • Drei Deutsche erzählen, wie es ihnen in Daressalam, Amman und Priština geht.

Von Miriam Hoffmeyer

Als die Ärztin Gisela Berger ihr Büro in Daressalam bezog, hängte sie erst mal eine Wandtafel für die Jahresplanung auf. Doch ihre tansanischen Kollegen trugen keine Termine ein. "Erst nach einer Weile habe ich verstanden, warum", sagt Berger. "Wir Europäer sind gewöhnt, langfristig zu planen, um keine Leerstellen zu haben. Die Tansanier müssen stets mit Unerwartetem rechnen: plötzlichen Entscheidungen der Politik, Stromausfällen, Überschwemmungen." So hätten sie gelernt, viel flexibler zu reagieren. "Wenn sich eine Stunde vor Beginn eines Workshops herausstellt, dass der Raum nicht zur Verfügung steht, werde ich nervös oder ungehalten. Meine Kollegen finden schnell eine Lösung", sagt Berger.

Die Internistin und Psychotherapeutin hat sich auf Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung spezialisiert. Als integrierte Fachkraft arbeitet sie bei der großen lokalen Nichtregierungsorganisation CCBRT, die sich um die medizinische Versorgung und die Integration von Behinderten kümmert. Mit ihrem tansanischen Team berät Berger die Regierung und andere Organisationen zu den Themen Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeit, Inklusion von Menschen mit Behinderung.

Nach Schätzungen der WHO sind 15 Prozent der Weltbevölkerung Behinderte, 80 Prozent von ihnen leben in Entwicklungsländern. "Dort gehören sie zu den Ärmsten der Armen", sagt Berger. "Um die Armut erfolgreich zu bekämpfen, ist es wichtig, ein öffentliches Bewusstsein für ihre Situation herzustellen." Kleine Veränderungen können einen großen Unterschied machen: eine Rollstuhlrampe am Eingang des Gesundheitszentrums. Oder eine Einladung zur Familienplanungsberatung, die Behinderte explizit einschließt.

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Die 57-Jährige hat eine typische Medizinerkarriere durchlaufen: Promotion, Facharztausbildung, Tätigkeit in verschiedenen Krankenhäusern, Eröffnung einer Gemeinschaftspraxis in Berlin. Als ihr Mann 2007 beruflich nach Namibia versetzt wurde, ging Berger für drei Jahre mit. Danach kehrte sie in ihre Berliner Praxis zurück, wollte aber gern ein zweites Mal nach Afrika. "Ich hatte immer schon Interesse daran, im Ausland zu arbeiten, um bei der Bewältigung von interkulturellen Herausforderungen auch die eigene Lebensführung zu überprüfen, um einfach zu verstehen, was wirklich wichtig ist." Ziel ihrer Arbeit ist, die Strukturen, Abläufe und Qualität der Beratung so nachhaltig zu verbessern, dass ihr Team schon in ein paar Monaten ohne sie zurechtkommen kann.

"Ich genieße das internationale Umfeld"

Die Agrarwissenschaftlerin Jutta Werner hat sich schon während ihres Studiums auf die Forschung in Entwicklungs- und Schwellenländern spezialisiert. Nach ihrer Promotion arbeitete sie als Projektmanagerin in Tschad, damals noch für die GTZ. Anschließend lehrte sie sechs Jahre an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich in einem interdisziplinären Aufbaustudiengang für Entwicklungszusammenarbeit. Über das CIM fand sie eine Stelle, die genau zu ihrem Forschungsgebiet passt: Seit anderthalb Jahren arbeitet Werner am International Center for Agricultural Research in the Dry Areas (ICARDA) in der jordanischen Hauptstadt Amman. Das Institut war ursprünglich in Aleppo angesiedelt, musste aber 2012 wegen des syrischen Bürgerkriegs nach Jordanien umziehen.

"Mein Chef kommt aus Tunesien, meine Kolleginnen aus der Türkei und den USA, ich genieße das internationale Umfeld", sagt Werner. Nur einige Abläufe bei ihrem neuen Arbeitgeber waren für sie ungewohnt: "Manches braucht etwas mehr Zeit. Wenn man sich geduldig und diplomatisch verhält, aber beharrlich bleibt, kommt man hier am weitesten."

Das erste Projekt der Weideland-Expertin war ein Versuchsfeld mit verschiedenen stachelarmen Kaktussorten. "In Tunesien werden diese Kakteen schon angebaut, die Bauern verkaufen die Früchte und verfüttern den Rest der Pflanze an ihr Vieh", sagt Werner. "Als Futterpflanzen sind Kakteen auch für die Trockengebiete in Jordanien Erfolg versprechend."

Im April beginnt eine neue Aufgabe: Durch Interviews mit Bauern im Jemen, in Jordanien und in Tunesien will sie herausfinden, wie bestimmte Gebiete nachhaltig genutzt werden können. "In den allermeisten Trockengebieten sind kollektiv genutzte Weideflächen kein Privateigentum, was auch sinnvoll ist, weil die Niederschläge so unterschiedlich fallen", sagt sie. "Früher hat das funktioniert, aber heute gibt es oft Konflikte, weil traditionelle Nutzungsregeln immer weniger beachtet werden."

Die 43-jährige Wissenschaftlerin berät auch das tunesische Landwirtschaftsministerium, wie diese Fragen gesetzlich geregelt werden könnten. "Durch die Revolution in Tunesien ist ein Fenster aufgegangen, dort sind jetzt viele Verbesserungen möglich geworden", sagt Werner. Für ihr Institut ist sie auch deshalb so wichtig, weil sie sich am besten mit den europäischen Ausschreibungsmodalitäten auskennt: Binnen kurzer Zeit hat sie zwei Millionen Euro an Forschungsgeldern für das ICARDA eingeworben.

Banker in Kosovo

Die meisten Deutschen haben ein eher düsteres Bild von Kosovo, und das nicht erst seit dem vergangenen Jahr, als Zehntausende Flüchtlinge vom Balkan nach Deutschland kamen. Ralf Raab erlebt ein ganz anderes, zukunftsfrohes Land: "Das Lebensgefühl in Priština ist mediterran, es gibt eine tolle Kaffeehauskultur", sagt er. "Die Bevölkerung ist jung, gut ausgebildet und offen für Neues." Der 52-Jährige, der seit knapp zwei Jahren die Zentralbank in Kosovo berät, kann sich gut vorstellen, langfristig hierzubleiben.

In den nächsten Jahren ist jedenfalls noch viel zu tun: Ralf Raab arbeitet als Leiter eines sechsköpfigen Teams daran, das bestehende Vertragswerk der Zentralbank an EU-Standards anzupassen. Dazu müssen umfangreiche Anforderungen in drei Bereichen erfüllt werden: Eigenkapital, Risikomanagement und Transparenz. "Den Bereich Eigenkapitalanforderungen werden wir im Sommer abschließen", erklärt Raab.

Eigentlich, meint der Banker, sei er rein zufällig auf diese Stelle gestoßen. Nachdem er 15 Jahre die Zentralbank der Vereinigten Arabischen Emirate in Dubai beraten hatte, wollte er zurück nach Europa, um sich besser um seine Eltern kümmern zu können. "Ursprünglich wollte ich zur Europäischen Zentralbank, die damals sehr intensiv nach Mitarbeitern gesucht hat." Während der langwierige Bewerbungsprozess noch lief, machte ihn ein Kollege auf das CIM aufmerksam. "Ich war ganz erstaunt, dass sie auch Stellen für Banker vermitteln", sagt Raab. "Mein Ziel bei der Europäischen Zentralbank wäre gewesen, kleinen Ländern zu helfen - das kann ich hier noch besser. Nach der Bewerbung ging alles sehr schnell." Schon vier Wochen später trat er den Job in der Hauptstadt Priština an.

Seine Auslandskarriere hat schon früh begonnen: Nach der Banklehre in seiner Heimatstadt Düsseldorf ging Raab nach Luxemburg, das damals zum Finanzplatz aufstieg. Als Investmentbanker arbeitete er erst in Luxemburg, in den Neunzigerjahren dann auch in London. Nach weiteren Auslandsstationen kam das Angebot aus Dubai. "Ich bin immer viel gereist, aber der Balkan war noch ein weißer Fleck auf meiner Landkarte. Dabei sind es nur zwei Flugstunden von Deutschland nach Priština."

Zu seiner Arbeit gehört auch der Aufbau von Kontakten zur EZB, zur Bundesbank und zur Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Seine kosovarischen Kollegen seien hervorragend qualifiziert, nur die internationale Praxis fehle ihnen, sagt Raab: "Es macht großen Spaß, ihnen neue Ideen mitzugeben."

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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