Führungsspitzen:Mein Freund, der Chef

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Wenn der alte Kumpel oder die nette Büronachbarin aufsteigen, kann das für eine Freundschaft zum Problem werden. Denn wie eng darf das Verhältnis des Vorgesetzten zu seinem Mitarbeiter sein?

Alexandra Borchardt

Höfliche Menschen setzen das Adjektiv "eng" gerne dann ein, wenn ihnen etwas eigentlich unmöglich erscheint. "Das wird eng", sagt beispielsweise der Architekt, wenn es um den Einzugstermin im Dezember geht. Oder der Italiener, wenn der deutsche Mercedesfahrer fragt, ob er diese kleine Straße nicht doch nehmen sollte. Oder der FDP-Politiker, wenn er sein Wahlkampfteam aufmuntern will.

Wenn ein Freund zum Chef wird, kann das Probleme in der Beziehung schaffen. Dann gilt: kritische Themen umschiffen. (Foto: juliaw / photocase.com)

Auch Oskar Lafontaine hat das Wort kürzlich verwendet und damit höflich etwas umschrieben, das viele unmöglich finden: "Ich lebe seit einiger Zeit getrennt und bin seit einiger Zeit mit Sahra eng befreundet", sagte er, um seine Beziehung zur Linken-Frontfrau Sahra Wagenknecht offiziell zu machen.

Möglicherweise wollte Lafontaine mit dieser Wortwahl jugendlich wirken und hat sie dem Online-Netzwerk Facebook entlehnt. Auf der Plauderseite kann man seine elektronisch gebündelten Bekanntschaften immerhin als "Freund" und "enger Freund" kategorisieren, was in den meisten Fällen aber keine Umschreibung der von Lafontaine gemeinten Nahbeziehung ist.

Vielmehr kommt die Einordnung aus dem Amerikanischen, wo nicht nur Hollywood-Millionäre verkünden, ihre Hochzeit oder Hauseinweihung nur mit close friends gefeiert zu haben, so um die Hundert seien es gewesen.

In Amerika gibt es auch ein Problem nicht, das deutsche Beschäftigte zuweilen ereilt. Nämlich jene verhaltenstechnisch kniffelige Frage, ob man mit dem eigenen Chef befreundet sein darf und kann - wobei die Lafontainsche Variante von "eng" einen besonderen Schwierigkeitsgrad darstellt, der an dieser Stelle nicht erörtert werden soll. Schließlich ist es jenseits des Atlantiks ganz klar, dass man really close friends mit Kollegen und Boss sein muss, wenn das Abteilungsklima stimmen soll.

"Ich würd's dir gerne sagen"

Mit der Bürotruppe geht man zusammen zum Grillen, Feiern, Segeln, Wandern. Zumindest bis zu dem Tag, an dem einen Frank, Susan, David oder Diana in aller Freundschaft auffordern, doch bitte seine Habseligkeiten in jenen Karton dort und dann das Büro zu räumen. In den USA sind aus diesem Grund übrigens nicht nur flexible Raumkonzepte, sondern auch flexible Freundschaftskonzepte angesagt.

Hierzulande ergibt sich die Chef-Freundes-Frage sehr häufig nicht daraus, dass Beschäftigte ihren Vorgesetzten supernett oder gar erotisierend finden und deshalb ganz dringend ganz dicke mit ihm sein müssen. Oft wird es dann kompliziert, wenn der alte Kumpel aus der Ausbildung, der Mit-Revoluzzer vom letzten Anti-Chef-Aufstand oder die nette Büronachbarin, die man gerade noch in alle Details seiner Sorgerechtsstreitigkeiten eingeweiht hatte, plötzlich befördert und einem damit vielleicht sogar in den Weg gesetzt wird.

Aus: "Stell dir vor, was der Meier da gesagt hat" wird dann "ich würd's dir wahnsinnig gerne sagen, aber . . .". Und hatte man sich eben noch über verbesserte Beziehungen nach oben gefreut, muss man lernen, dass der nächste Karriereposten an eine andere gehen wird ("das hätte sonst echt nach Freundschaftsdienst ausgesehen").

Gut ist, wenn einer der beiden die Abteilung wechseln kann, denn zu Firma und Freund jederzeit gleichermaßen loyal zu sein, das gelingt keinem Chef. Ansonsten hilft sorgsames Umkurven kritischer Themen - und durchhalten. Oft löst schließlich die Zeit das Problem. Echte Freundschaften bleiben; was man vom Chefdasein nicht immer behaupten kann.

© SZ vom 28.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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