Familie:Mutter von Beruf - mit allen Vor- und Nachteilen

Familie: Richtig viel Zeit für die Kinder? Das muss man wollen - und sich leisten können.

Richtig viel Zeit für die Kinder? Das muss man wollen - und sich leisten können.

(Foto: plainpicture)

Wer wegen der Kinder länger im Job aussetzt, verzichtet auf Anerkennung, Sicherheit und Geld. Trotzdem gibt es Eltern, die ganz bewusst zu Hause bleiben. Was treibt sie an?

Von Franziska Brüning

Ihr Wecker klingelt morgens um halb sechs. Kurz darauf beginnt schon Beate Frommes Arbeitstag. Nicht im Büro, nicht in der Chefetage, sondern zu Hause. Das klingt erst einmal angenehm. Trotzdem hat die 33-Jährige meist erst gegen zehn Uhr abends alle ihre Aufgaben erledigt. Beate Fromme kümmert sich um zwei Mädchen und zwei Jungen im Alter von zwei, fünf, acht und zehn Jahren, um ein Haus, an dem noch gebaut wird, und einen großen Garten. Wenn dann noch Zeit bleibt, töpfert sie in ihrer eigenen Werkstatt. So kommt sie auf etwa 16 Stunden tägliche Arbeitszeit. Doch ihre Tätigkeit ist den meisten Politikern, Wirtschaftsvertretern und einem wachsenden Teil der Gesellschaft kaum noch etwas wert. Beate Fromme ist Hausfrau und Mutter von vier Kindern.

Immer mehr Mütter in Deutschland sind berufstätig. 1996 verdiente in 40 Prozent der Familien nur ein Elternteil das Geld. Zwei Jahrzehnte später trifft das lediglich noch auf 29 Prozent der Familien zu - mit sinkender Tendenz. Eltern, die beide arbeiten wollen, sollen diese Möglichkeit heute auch bekommen. Dafür investiert der Staat in Krippen und Ganztagsschulen und wirbt für das Modell der Vollzeitberufstätigkeit beider Elternteile.

Das klingt so, als könnten Eltern heute völlig frei zwischen Beruf und einem Dasein als Hausfrau oder Hausmann wählen oder gar Karriere und Familie vereinbaren. Die Wirklichkeit sieht freilich anders aus. Viele können sich die Wahl schlichtweg finanziell nicht leisten. Und wenn sie es doch tun und etwa zu Hause bleiben, verzichten sie auf soziale Absicherung, Geld und gesellschaftliche Anerkennung.

Beate Fromme etwa bekommt kein Gehalt, keine Rente und steht im Scheidungsfall dumm da. So will es der Gesetzgeber, der im Jahr 2008 das Unterhaltsrecht zu Ungunsten von Hausfrauen und Hausmännern geändert hat. Sie profitieren kaum vom Elterngeld , bekommen in 14 Bundesländern kein Betreuungsgeld mehr und viele Politiker befeuern den Verdacht, dass Kinder zu Hause nicht ausreichend gefördert werden. Zudem müssen Eltern, die länger als ein Jahr zu Hause bleiben, für jede Art von Spott herhalten.

Trotzdem gibt es Frauen und Männer, die den Job der Hausfrau oder des Hausmannes ganz bewusst wählen. Sie wollen Zeit für ihre Kinder haben, familiäre Bindungen stärken und dem Nachwuchs ihre Werte mitgeben. In einer zunehmend ökonomisierten Gesellschaft wirken sie mit dieser Wahl schon fast wie Aussteiger. Dabei wurde das Dasein von Hausfrauen und Hausmännern noch bis zu dem 2006 von der Bundesregierung eingeläuteten Politikwechsel als wichtige Leistung für die Gesellschaft honoriert.

"Ich liebe unseren Alltag, wenn er gut funktioniert"

Beate Fromme und ihr 37-jähriger Mann Sebastian, ein IT-Berater, leben im sächsischen Stolpen. Für die beiden stand ihr Lebensmodell schon fest, als sie geheiratet haben. "Für uns ist das ein Familienprojekt, für das wir uns gemeinsam entschieden haben", sagt Beate Fromme. Abhängig von ihrem Mann fühlt sie sich nicht. Sebastian Fromme hat bei jedem Kind Elternzeit genommen, er hilft im Haushalt, und das Geld, das er verdient, liegt auf einem gemeinsamen Konto.

"Ich liebe unseren Alltag, wenn er gut funktioniert. Das ist mir fast lieber als Urlaub."

"Ich liebe unseren Alltag, wenn er gut funktioniert. Das ist mir fast lieber als Urlaub", sagt Beate Fromme. Und ihr Mann sagt: "Ich bewundere meine Frau sehr dafür, was sie macht." Er findet die Richtung, in die sich die Gesellschaft entwickelt, fast schon dekadent. "Alles, was zum normalen Menschsein gehört, ist verpönt", sagt er. Und er glaubt, dass sich mehr Familien gegen diese Entwicklung stemmen würden, wenn ihnen in ihrem anstrengenden Alltag Zeit und Kraft dafür bliebe.

Carsten Kretzschmar, 44, Vater von zwei Jungen im Alter von zehn und 13 Jahren, ist die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung seiner Tätigkeit egal. Er hat als Bauingenieur gearbeitet und ist 2002 nach der Geburt des ersten Kindes zu Hause geblieben. Er habe damals Elternzeit genommen und sei dann nach und nach in die Rolle des Hausmanns hineingewachsen, sagt Kretzschmar. Seine Frau Ines, 45, habe als Elektroingenieurin einfach mehr verdient als er, und da es ihnen beiden wichtig gewesen sei, Zeit für die Kinder und die Familie zu haben, sei er eben zu Hause geblieben.

Kretzschmars wohnen in Dresden-Übigau in einem denkmalgeschützten Drei-Seiten-Hof, den Carsten Kretzschmar restauriert. "Wir haben unser Leben ganz einfach finanziell und steuerlich durchgerechnet", sagt er. Eine klassische Altersabsicherung werde er zwar nicht haben, dafür spare er sich das Geld für die Handwerker, weil er vieles selber machen könne, und sei zeitlich flexibel - für seine Familie.

Auch Annegret Mühl aus Dresden-Kaditz ist Hausfrau und widerspricht dem neuen Familienleitbild der Bundesregierung. Mühl findet es seltsam, dass die Eins-zu-eins-Betreuung zu Hause nicht gewürdigt wird. "Kochen, draußen spielen, malen, vorlesen, einkaufen gehen und Ruhe. All das kann ich bieten. Ich habe nicht das Gefühl, dass meinen Kindern etwas fehlt."

Die dreifache Mutter und Sozialpädagogin hat sich ebenfalls gemeinsam mit ihrem Mann, einem Physiker, für das einst traditionelle Familienmodell entschieden. Zumindest vorerst. Wenn ihr jüngster Sohn in den Kindergarten kommt, möchte Mühl zu ihrem früheren Arbeitgeber, einem Familienzentrum, zurückkehren. Aber auch nur, weil dort drei Jahre Erziehungszeit, Halbtagsjobs und flexible Arbeitszeiten selbstverständlich sind.

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