Equal Pay Day:Zehn Gründe, warum Frauen weniger verdienen

Um auf das Jahresgehalt eines Mannes zu kommen, müssen Frauen knapp drei Monate länger arbeiten. In diesem Jahr rechnerisch bis zum heutigen Donnerstag, dem "Equal Pay Day". Die Lohnunterschiede haben verschiedene Gründe - ein Überblick.

Von Ulrike Heidenreich

Der 21. März ist Tag der Abrechnung - Equal Pay Day. Dieses Datum markiert den Tag, bis zu dem Frauen über den Jahreswechsel hinaus länger arbeiten müssen, um auf das Entgelt zu kommen, das Männer bereits am Ende des Vorjahres in der Tasche haben. Die Lohnlücke - die Differenz zwischen den durchschnittlichen Stundenlöhnen von Männern und Frauen - beträgt in diesem Jahr 22 Prozent. Das heißt, dass Frauen im Schnitt ein Fünftel weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen; im gleichen Job, oft bei gleicher Qualifikation. Zehn Gründe, woran das liegt:

Bescheidenheit

Frauen sind anscheinend mit weniger Gehalt zufrieden als ihre männlichen Kollegen. Bei einer Befragung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in 10.000 Haushalten, wie hoch ein gerechter Lohn sein sollte, gaben Frauen durchschnittlich 25 Prozent weniger an als Männer. In Gehaltsverhandlungen, so die Untersuchung, fühlen Frauen zunächst vor, was man ihnen anbieten könne. Männer hingegen platzen mit ganz konkreten Summen heraus - und bekommen diese meist. Im Berufsleben scheint Bescheidenheit eine weibliche Untugend zu sein.

Rollenbilder

Der Soziologe Reinhard Bispinck vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung kommt zu einem vernichtenden Urteil darüber, was in den Köpfen der Chefs vor sich geht. "Vorstellungen einer diffusen männlichen Höherwertigkeit" prägten die Einstellungs- und Beförderungspraxis - was sich wiederum auf die Selbsteinschätzung der Frauen auswirke. Das ist das Fazit einer Studie über geschlechtsspezifische Lohndifferenzen, die er für das Bundesfamilienministerium angestellt hat. Auch ohne geringere Qualifikation oder Berufsunterbrechungen ist das Gehalt von Frauen bei gleicher Position oft niedriger. Bispinck sagt: "Frauen verdienen weniger, weil sie Frauen sind."

Zufriedenheit

70 Prozent der Arbeitnehmerinnen sind zufrieden mit ihrem Arbeitsplatz. Nur jede Vierte will ihre Karriere vorantreiben (28 Prozent), bei den Männern ist es jedoch fast jeder Zweite. Eine Studie, für die im Jahr 2011 der Dienstleister Accenture 3400 Berufstätige befragt hat, kommt weiter zu dem Schluss, dass Frauen die Schuld für mangelnde Aufstiegschancen stärker als ihre männlichen Kollegen bei sich selbst sehen. Für Accenture-Geschäftsführerin Catrin Hinkel sind das alarmierende Ergebnisse: "Offensichtlich haben sich viele Frauen damit eingerichtet, dass es für sie im Job häufig nicht weitergeht, und haben die sogenannte gläserne Decke akzeptiert."

Falsche Jobwahl

Frauen gehen anders als Männer auch in schlecht bezahlte Berufe, etwa im sozialen Bereich. Auch andere "typisch weibliche" Berufe wie Sekretärin und Verkäuferin stehen in der Verdienst-Skala ganz unten. Die schulische Ausbildung ist ganz klar begrenzt, vor allem im Büro- und Dienstleistungsbereich. Deshalb bestehen hier kaum Aufstiegs- und Fortbildungsmöglichkeiten. In "typisch männlichen" Bereichen wie Industrie und Handwerk wird hauptsächlich betrieblich ausgebildet. Mit Weiterqualifikationskursen bis etwa zum Meister bieten sich danach wesentlich mehr Perspektiven, die Karriere zu verfeinern und voranzutreiben. Somit steigen die Gehälter.

Mangelnde Fortbildung

Wer Erfolg will, muss lernen. Doch das Interesse, sich beruflich weiterzubilden, ist bei Frauen (62 Prozent) weniger stark ausgeprägt, als bei Männern (73 Prozent). Ursache ist eine weitere Ungerechtigkeit: Zwölf Prozent der Frauen müssen ihre Seminare zur beruflichen Fortbildung komplett selbst bezahlen. Bei Männern sind es laut Studie nur acht Prozent. Der Seminaranbieter Management Circle hat bei einer Befragung von 1600 Angestellten und 300 Personalern festgestellt, dass Chefs mit den Geschlechtern vollkommen unterschiedlich umgehen. Die hohen Kosten sind für 71 Prozent der Frauen der Hauptgrund, an den Seminaren gar nicht erst teilzunehmen. Der Faktor Zeit ist nicht so entscheidend: Familiäre Verpflichtungen sind nur für ein Viertel der Frauen Hinderungsgrund.

Wenige Stellenwechsel

Frauen pokern seltener, um ein besseres Gehalt zu bekommen. Männer wechseln häufiger ihre Stelle, um am Monatsende mehr Geld auf dem Konto zu haben, so eine Studie des Bundesfamilienministeriums zur Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern. Dies liegt aber keineswegs an mangelnder Flexibilität oder Mutlosigkeit der Frauen - vielmehr sind diese froh, eine Stelle gefunden zu haben, bei der sie Beruf und Familie miteinander vereinbaren können. Die wollen sie nicht so schnell aufgeben, weil sie mit der Organisation ihres Familienbetriebes nicht wieder von vorne beginnen wollen.

Schritte auf nassem Asphalt, 201

Wille zum Erfolg: Männer wechseln häufiger die Stelle als Frauen, um beruflich voranzukommen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Ungerechte Beurteilungskriterien

Im Öffentlichen Dienst, beispielsweise in Bayern, würdigen die Vorgesetzten in den Personalbeurteilungen das ehrenamtliche Engagement oder dienstlich veranlasste Nebentätigkeiten ihrer Beschäftigten. Wer sich also in seiner Freizeit vorbildhaft im Verein oder der Gemeinde einbringt, sammelt dafür dicke Pluspunkte in der Rubrik "sonstige Fähigkeiten". Die Vorsitzende der Frauen-Union, Angelika Niebler (CSU), hat nun Bayerns Staatsregierung aufgefordert, auch die besondere Leistungsfähigkeit von Frauen mit Doppelbelastungen in diesen Beurteilungen zu berücksichtigen, denn: "Frauen, die neben ihrer Erwerbstätigkeit eigene Kinder erziehen, sind häufig derart ausgelastet, dass ihnen die Zeit fehlt, zusätzlich ehrenamtlich aktiv zu sein oder Zusatzaufgaben in der Behörde wahrzunehmen."

Berufspausen

Großen Einfluss auf die Höhe der Gehaltsunterschiede haben die beruflichen Unterbrechungen, die Frauen einlegen, wenn sie in die sogenannte Familienphase eintreten, also Kinder bekommen und großziehen. Sie erreichen deshalb keine so lange Betriebszugehörigkeit wie Männer, der ein oder andere Bonus geht flöten. Das Bundesfamilienministerium weist in seiner Entgeltstudie nach, dass Frauen nach einer Babypause häufig nicht auf der gleichen Gehaltsstufe wie früher beginnen. Sie werden zurückgestuft oder müssen sich mit Teilzeitjobs und freiberuflichen Tätigkeiten arrangieren. Forscher Bispinck: "Frauen in Teilzeit wird unterstellt, dass sie weniger leisten."

Geringe Wertschätzung

Typische Männerjobs werden auch deshalb besser bezahlt als frauentypische Berufe, weil bei ihnen besondere Belastungen anders gewichtet werden - im wahrsten Sinne des Wortes. Bei Müllmännern etwa ist das Heben schwerer Lasten ein Kriterium für die Arbeitsplatzbewertung, es schlägt sich positiv im Gehalt nieder. "Bei Pflegeberufen, die vor allen Dingen von Frauen ausgeübt werden, ist das jedoch nicht der Fall, obwohl zur körperlichen Belastung oft auch noch die psychische hinzukommt", bemängelte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder erst vor Kurzem am 102. Internationalen Frauentag. Sie fordert, körperliche Belastungen auch in typischen Frauenberufen bei der Bezahlung zu berücksichtigen und andere Maßstäbe anzulegen.

Wohnort im Süden

Frauen, die im Süden Deutschlands wohnen, haben noch mehr Pech. Hier ist die Ungleichheit bei den Entgelten am größten - Männer verdienen in Baden-Württemberg 27 Prozent, in Bayern 26, im Saarland 25 Prozent mehr als Frauen. Diese Daten beruhen auf der Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes, eine Erklärung für dieses Nord-Süd-Phänomen gibt es nicht.

Wohl aber für das wesentlich geringere Lohngefälle zwischen Männern und Frauen im Osten Deutschlands. Die Werte liegen zwischen nur vier Prozent in Mecklenburg-Vorpommern und neun Prozent in Sachsen. "Frauen arbeiten hier häufiger Vollzeit und seltener in Minijobs, unterbrechen ihre Berufstätigkeit kaum für längere Zeit und sind häufiger in Führungspositionen", sagt Christina Klenner vom WSI. Und noch einen ganz simplen Grund gibt es: Der Gehaltsunterschied kann gar nicht so groß ausfallen - weil die Männer im Osten durchschnittlich sowieso weniger verdienen als ihre westdeutschen Kollegen. Da haben dann die Männer einfach mal Pech gehabt.

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