Chipkarten für Hartz-IV-Kinder:Bildung à la Card

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Bonuspunktwürdig: Jobcenter sollen Kinder aus Hartz-IV-Familien künftig mit Bildungs-Chipkarten versorgen. Wenn sie Ihr Angebot noch ein bisschen erweitern, können sie es sogar mit Tankstellen aufnehmen.

C. Dössel

Die Bildungsinitative von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen für Kinder aus Hartz-IV-Familien ist eine wichtige und lobenswerte Sache, gar keine Frage, auch wenn sie natürlich nicht ganz freiwillig, das heißt: nicht ohne Nachbesserungs-Nachdruck des Bundesverfassungsgerichts eingeleitet wird.

Sachleistungen statt Geld für Hartz-IV-Empfänger? Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) prüft die Einführung von Bildungs-Chipkarten für Kinder aus Hartz-IV- Familien. Der wiederaufladbare Chip soll ihnen den Zugang zu zusätzlichen Bildungsangeboten wie Musik- oder Sportkursen ermöglichen, aber auch den Besuch von Schwimmbädern, Museen und Theatern. (Foto: dpa)

Die Frage ist nur: Wie muss bzw. darf man sich das in konkreter Ausformung vorstellen, dieses "Bildungspaket", das in den Worten von Frau von der Leyen "zielgenau zum Kind" kommen soll, zugestellt nicht etwa vom Postamt, sondern vom "Jobcenter", wo künftig "ein Familienlotse" die Aufgabe übernehmen soll, "das Amt mit allen Sozial-, Kultur- und Betreuungseinrichtungen vor Ort zu vernetzen" (so die Ministerin im Spiegel). Dort würde dem bedürftigen Kind dann mit dem Päckchen - oder vielleicht auch darin eingepackt - "eine elektronische Bildungs-Card mit einem persönlichen Bildungsguthaben" überreicht werden, womit es Zugang bekommt zu Förderkursen oder zum Musikunterricht.

Jetzt noch mal langsam - zum Mitschreiben für all diejenigen, die noch den alten Deutschunterricht besucht haben. Hauptschauplatz der Bemühungen um das Kindesbildungswohl wird also nicht die Schule, sondern das Jobcenter sein, vulgo: Arbeitsamt. Als unumgängliche Anlaufstelle für immer größere Teile der Bevölkerung übernimmt es, ähnlich einer Esso-Tankstelle, immer mehr Service-Aufgaben und hat ein breites Angebot in seinen Regalen (oder heißen die jetzt "shelfs"?).

Da im Jobcenter die Vermittlung von Arbeitsstellen, also Jobs, weitgehend stagniert, könnte die Versorgung mit Bildungs-Cards, auch "Bildungschips" genannt, ein völlig neues Betätigungsfeld eröffnen, zumal diese ja auch wieder aufgeladen werden müssen. Bleibt zu überlegen, ob der verantwortliche Familien- oder auch Bildungslotse zur besseren Erkennbarkeit eine Uniform, womöglich sogar mit Kelle, tragen sollte, ist er doch im besten Sinne des Wortes - und von Amts wegen - ein Schülerlotse: einer, der die ABC-Schützen sicher auf den Bildungsweg bringen soll.

Und wie soll das eigentlich funktionieren mit diesen Chipkarten? Was kann damit bezahlt werden, was nicht? Gehört der Schwimmbadbesuch - da Körper bildend und Sozialkontakt fördernd - zum Angebot dazu, oder wird das bedürftige Kind jetzt direkt vom Jobcenter in die Musikschule gelotst, ob es will oder nicht? Auch müsste natürlich, zum besseren Kauf- bzw. Bildungstauschanreiz, ein Bonuspunkteprogramm eingeführt werden, siehe Bahn- oder Karstadt-Kunden-Card. Bei 1000 gesammelten Punkten spränge dann schon mal eine Blockflöte raus, bei 50 zumindest ein Spitzer. Und was, wenn das arme Kind seine Karte verliert? Darf sich dann womöglich ein anderer auf seine Kosten bilden, ein Wissensdieb? Wir sehen: Es sind noch etliche Fragen offen bezüglich der Bildung à la Card.

© SZ vom 17.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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