Bildungsstudie:Warum viele Arbeiterkinder Aufstiegsangst haben

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Um die Chancengleichheit steht es an Schulen noch immer schlecht: Zwar machen mehr Arbeiterkinder Abitur - dennoch ist ihr Anteil noch immer gering im Vergleich zu den Mitschülern aus dem Bildungsbürgertum. Auch den Hochschulen bleiben viele weiter fern, wie eine Studie belegt. Experten nennen das "Aufstiegsangst".

Der Ausbau der deutschen Hochschulen hat in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht zu mehr Studienchancen für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern geführt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Mannheimer Zentrums für europäische Sozialforschung, die die Vodafone Stiftung in Berlin vorstellte. Noch immer seien die "Zugangswege zum Studium sozial selektiv".

Zwar machen Arbeiterkinder heute öfter Abitur als noch vor dreißig Jahren - doch nicht alle entscheiden sich für ein Studium.  (Foto: Getty Images)

Akademikerkinder verfügten über eine etwa sechsmal so hohe Chance, ein Studium aufzunehmen als Kinder von Eltern ohne Hochschulabschluss, heißt es in der am Montag veröffentlichten Untersuchung.

Trotz eines erleichterten Hochschulzugangs ist die Studienbereitschaft von Abiturienten aus bildungsfernen Schichten deutlich gesunken. Mitte der 70er Jahre strebten noch 80 Prozent von ihnen einen akademischen Abschluss an. Drei Jahrzehnte später seien es aber nur noch die Hälfte. Gleichzeitig erhöhte sich den Angaben zufolge der Anteil der studienberechtigten Schüler aus bildungsfernen Schichten von 15 auf 35 Prozent. Bei Schülern aus Akademiker-Haushalten nahm die Studierbereitschaft im gleichen Zeitraum lediglich von 90 auf knapp 80 Prozent ab.

Für die rückläufige Entwicklung der Studierbereitschaft nennt der Autor der Studie, Steffen Schindler vom Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung, zwei Gründe: Zum einen entschieden sich viele junge Erwachsene erst nach Erwerb des Hochschulzugangs, ob sie ein Studium oder eine Berufsausbildung anstreben. Zum anderen habe sich die Hochschulreife zur faktischen Zugangsvoraussetzung für viele Ausbildungsberufe entwickelt.

Die Chancen, die allgemeine Hochschulreife (das klassische Abitur) zu erreichen, sei für Schüler aus gebildeten Elternhäusern noch immer etwa siebenmal höher als für Schüler aus bildungsfernen Familien. Der Großteil der Bildungsfernen finde den Weg zur Studienberechtigung über alternative Wege: Fachschulen, Kollegs und berufsbildende Schulen. Der Ausbau der Gymnasien dagegen sei für diese Kinder "nicht zum Türöffner" zu mehr Chancengerechtigkeit geworden.

Doch nur ein zunehmend geringer Anteil der jungen Menschen aus diesen bildungsfernen Schichten mache anschließend von seiner Studienberechtigung auch Gebrauch. "Wir brauchen Initiativen, die sozial benachteiligten Jugendlichen die Aufstiegsangst nehmen", sagte Stiftungs-Geschäftsführer Mark Speich.

Auch der Bundesbildungsbericht, der erst vor wenigen Monaten veröffentlich wurde, kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Demnach besuchten zwar immer mehr Kinder und Jugendliche höhere Schulen und erreichten bessere Bildungsabschlüsse - doch der Anteil der sogenannten Bildungsverlierer sei weiterhin hoch.

© Süddeutsche.de/dpa/wolf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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