Bewerbung:Alles nur gefälscht

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Von wegen ganz man selbst! Authentisch ist ein Lebenslauf gewiss nicht. (Foto: dpa)

Personalchefs verurteilen Lügen im Bewerbungsgespräch. Doch für die Karriere ist es oft förderlich, wenn Kandidaten flunkern.

Von Elisabeth Pörnbacher

Jeder Mensch lügt. Gerade wenn es darum geht, bei anderen einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Etwa bei potenziellen Arbeitgebern. Die Erfahrungen werden ausgeschmückt, die Kenntnisse übertrieben, die negativen Eigenschaften versteckt - Psychologen nennen diese Form der unehrlichen Selbstpräsentation "Faking". Einer Studie der University of Massachusetts zufolge lügen Bewerber durchschnittlich 2,19 Mal pro Jobinterview.

Vor allem Menschen, die das Leben als Wettbewerb empfinden, die weniger gewissenhaft sind als andere, stellen sich selbst anders dar als sie sind, sagt Anne-Kathrin Bühl von der Universität Ulm. Sie hat gemeinsam mit Kollegen das Phänomen Faking im Vorstellungsgespräch untersucht.

Das Faking fängt bereits im Lebenslauf an. Nach Zahlen der Datenbank Statista beschönigen Bewerber vor allem ihre Verantwortlichkeiten und Fähigkeiten. Auch die Beschäftigungsdaten entsprechen nicht immer der Wahrheit. Bei Personalchefs kommt das nicht gut an: 4Prozent der befragten Personaler gaben an, Bewerber mit unwahren Angaben im Lebenslauf automatisch auszusortieren. 41 Prozent berücksichtigten die Bewerber weiterhin, entschieden sich aber im Verlauf des Auswahlprozesses gegen sie.

Wer bei Ausbildung oder Studium lügt, macht sich besonders unbeliebt: In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov verurteilten 81 Prozent von 1029 befragten Personen über 18 Jahren jede Flunkerei in Sachen Ausbildung. Ähnlich schlecht kommen Lügen beim Namen, bei sonstigen Qualifikationen, bei der Berufserfahrung und bei Sprachkenntnissen an. Dagegen fanden es nur 20 Prozent der Befragten schlimm, wenn im Lebenslauf Hobbys und persönliche Interessen beschönigt werden.

Trotz dieser Ergebnisse: Mit Lügen im Lebenslauf kam der ein oder andere schon ziemlich weit. Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg etwa dehnte die Wahrheit bei seinen Angaben zur bisherigen Berufserfahrung, um besser dazustehen. Auch die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Hinz frisierte ihren Lebenslauf. Erst Jahre später kamen die Falschangaben ans Licht.

Auch im Bewerbungsgespräch selbst lässt sich nicht so leicht unterscheiden, wer die Wahrheit sagt und wer lügt. Das zeigt eine Studie des Teams um Marc-André Reinhard, Psychologieprofessor an der Universität Kassel. Im Rahmen der Untersuchung sahen sich Personalchefs und Studenten Videos von Bewerbern an, die ihre Arbeitserfahrungen schilderten. Die Hälfte der Bewerber sagte die Wahrheit, die andere Hälfte log. In nur 53 Prozent der Fälle gelang es, lügende Bewerber als solche zu enttarnen. Die Probanden hätten genauso gut raten können.

"Es gibt keine belastbaren Strategien, mit denen sich herausfinden lässt, ob jemand lügt oder nicht", sagt Anne-Kathrin Bühl. Darum haben sie und ihre Kollegen eine andere Frage zum Mittelpunkt ihrer Untersuchungen gemacht: Kann Faking auch als Fähigkeit angesehen werden?

Die Forscher ließen 111 Studierende ein fiktives Bewerbungsgespräch gleich zweimal durchlaufen: Einmal sollten sie möglichst ehrlich antworten, und einmal sollten sie sich als bester Kandidat für die Stelle ausgeben. Zuvor absolvierten die Bewerber einen Intelligenztest und füllten einen Online-Fragebogen aus, in dem sie unter anderem ihren Notendurchschnitt angaben. Nach den Interviews ermittelten die Wissenschaftler die Fähigkeit der Studierenden, die im Interview bewerteten Anforderungen zu erkennen. Erst dann werteten sie alle Daten aus.

Die Studie zeigt: Einigen Probanden gelang es besser, sich zu verstellen. Diese waren meist intelligenter und erkannten klarer, worauf die Fragen der Interviewer abzielten. Sie erfüllten also bereits zwei Eigenschaften, die wichtig sind für die spätere Arbeit: Intelligenz und das Erkennen der an sie gerichteten Anforderungen. Der beste Kandidat, folgern die Ulmer Forscher, könnte also auch derjenige sein, der sich am besten verkaufen kann.

Wenn Personaler Faking im Jobinterview unbedingt verhindern wollen, könnten sie den Bewerbern erzählen, sie hätten die Fähigkeit, Lügen zu erkennen. Allerdings müssten sie dafür selbst lügen.

© SZ vom 23.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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