Berufseinstieg:Erst Bachelor, dann Praktikant

Die Bewerber sollten jünger werden, doch jetzt will sie niemand haben. Wirtschaftsprofessor Christian Scholz erklärt, warum manche Unternehmen den Bachelor nicht ernst nehmen.

Jutta Göricke

Nur drei Jahre studieren - fertig ist der Bachelor. Als die neuen Studienabschlüsse vor elf Jahren beschlossen wurden, wünschten sich deutsche Wirtschaftsunternehmen ausdrücklich junge, praxisnah ausgebildete Absolventen. Doch nun, da Bachelors auf den Arbeitsmarkt strömen, wissen sie wenig mit ihnen anzufangen, meint Christian Scholz, Wirtschaftsprofessor an der Universität Saarbrücken.

Prof. Christian Scholz

Wirtschaftsprofessor Christian Scholz spricht über die Probleme der Berufseinsteiger mit Bachelor.

(Foto: privat)

SZ: In angelsächsischen Ländern steigen Bachelor-Absolventen gleich ins richtige Erwerbsleben ein. Auch deutsche Unternehmen behaupten, Bachelors seien ihnen hochwillkommen. Stimmt das mit der Wirklichkeit überein?

Scholz: Nein. Wer sich Stellenanzeigen und Homepages der Unternehmen anschaut, wird kaum Angebote für reguläre Stellen finden, die sich speziell an frischgebackene Bachelor-Absolventen richten. Vielmehr erwarten die Firmen allgemein einen Hochschulabschluss. Das bedeutet: Bachelors stehen in direkter Konkurrenz zu Kandidaten mit Master, Diplom oder MBA. Und wenn ein Bachelor keine Berufserfahrung mitbringt, droht ihm sowieso erst mal ein Praktikumsplatz.

SZ: Die Firmen betrachten den Bachelor also nicht als jemanden, der ausreichend vorbereitet ist fürs Berufsleben?

Scholz: Viele setzen den Bachelor mit einem Vordiplom gleich. Also: Nur wer einen Master draufsattelt, bringt in den Augen der Personaler eine vollwertige akademische Ausbildung mit.

SZ: Da hätte man ja gleich beim alten Diplom- und Master-System bleiben können. Warum ist der Bachelor nicht akzeptiert?

Scholz: Unternehmen lehnen reguläre Bachelors teilweise ab, weil es in Deutschland duale Studiengänge gibt, in denen sie ihre eigenen Bachelors züchten können. Sie stellen also Auszubildende ein und lassen sie neben der Arbeit einen Bachelor an einer Berufsakademie oder Fachhochschule machen, in einem Studiengang, der auf die jeweilige Firma ausgerichtet ist. Diese Azubi-Studenten haben den Vorteil, dass sie auf ein bestimmtes Unternehmen geprägt sind. Später können sie sich dann - wenn sie brav sind - in einem Firmen-Master-Studiengang weiterqualifizieren.

SZ: Wie bewerten Sie den zunehmenden Einfluss der Unternehmen auf Ausbildungsinhalte und Studium?

Scholz: Ich halte die Strategie "Wirtschaft als weisungsbefugter Co-Produzent" für problematisch. Hier wird staatliches Geld für individuelle und kurzfristige Unternehmensziele ausgegeben - ein Bruch mit unserem umfassenden Bildungsauftrag und ein Verstoß gegen die Bologna-Idee: Denn das Risiko eines schnell veralteten oder zu speziellen Wissens wird einseitig auf junge Menschen verlagert, denen die wichtigste Qualifikation versagt bleibt: das Lernen zu lernen.

SZ: Von Allianz über Continental bis Telekom - einige Unternehmen haben die Erklärung "Bachelor Welcome" des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft unterzeichnet. Geben wenigstens diese Firmen dem Bachelor eine Chance?

Scholz: Nein, sie gehen nicht generell mit gutem Beispiel voran. Immerhin signalisieren inzwischen - teilweise konjunkturbedingt - einige Firmen, dass man darauf verzichten will, Bachelors nach dem Studium in ein Praktikum zu stecken. Das ist gut so. Jetzt wäre es aber wichtig, dass die Unternehmen klare Einstiegspositionen für Bachelors definieren.

SZ: Was für Jobs könnte ein Bachelor ohne Berufserfahrung machen?

Scholz: Er könnte als Sachbearbeiter einsteigen, kleinere Projekte betreuen oder Assistenzfunktionen übernehmen. Anders formuliert: Er kann als Bauzeichner arbeiten, nie aber als Architekt.

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