Beruf:Wie stelle ich klar, dass ich mich nicht duzen lassen will?

Matteo R. ist genervt davon, dass ihn ältere Gesprächspartner bei geschäftlichen Anlässen einfach duzen.

SZ-Leser Matteo R. fragt:

Ich bin 29 Jahre alt, in der Medienbranche tätig und erlebe es im Kontakt mit Kunden immer wieder, dass sie mich einfach duzen, ohne vorher zu fragen. Insbesondere auf Messen und bei Verbandstreffen, die häufig auch gesellige Zusammenkünfte sind, fühle ich mich oft überrumpelt. Wie mache ich einem - durchaus älteren - duzfreudigen Gesprächspartner klar, dass ich lieber beim "Sie" bleiben will, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen und mich selbst zum Außenseiter zu machen?

Jan Schaumann antwortet:

Lieber Herr R., wir stecken nicht in den Köpfen anderer Menschen. Daher können wir oft nur ahnen, was ihre Beweggründe sind und wie sie auf unsere Aktionen reagieren. Wenn wir jedoch als reflektierte Menschen andere so behandeln, wie wir selber behandelt werden möchten, würden wir wahrscheinlich nicht mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf den Duzer zugehen und vorwurfsvoll rufen: "Sie dürfen mich nicht duzen!" Das würde schnell als Angriff gewertet und führt beinahe zwangsläufig zum Gegenangriff. Je nach persönlicher Laune kann das manchmal durchaus willkommen sein, ich tippe jedoch mal, dass Sie in einer beruflichen Situation nicht unbedingt auf Krawall gebürstet sind.

Der SZ-Jobcoach

Jan Schaumann war in Führungspositionen in Europa, Asien und den USA tätig. Heute arbeitet er als Managementtrainer, Seminarleiter und Buchautor.

Gehen wir also grundsätzlich erst einmal davon aus, dass bei Ihrem Gegenüber keine niedere Absicht hinter der verbalen Nähe steht. Bei vielen Menschen ist es schlicht die Macht der Gewohnheit, das entspannte Umfeld oder auch eine Frage der Unternehmenskultur, wenn sie plötzlich zum "Du" übergehen. Auch noch die distanzierteren Formen des Umgangs zu pflegen, fällt manch einem schwer. Ist aber auch kein Verbrechen.

Wollen Sie den Du-Pfad nicht einschlagen, dann bleiben Sie zunächst einfach beim "Sie", wenn Sie Ihr Gegenüber ansprechen. Ohne besondere Betonung, ohne Übertreibung oder stimmliche Hervorhebung. Häufig schwenkt der andere dann automatisch ebenfalls zum "Sie" über. Falls nicht, liegt es an Ihnen, abzuwägen, wie sehr Ihr Wohlbefinden darunter leidet und ob Sie sich im weiteren Gesprächsverlauf mit dem sprachlichen Ungleichgewicht arrangieren können.

Sie können den Umstand natürlich auch direkt ansprechen. Allerdings nicht auf Oberlehrer-Art, sondern mit einem beherzten Griff in die Rhetorik-Kiste. Schließlich wollen wir die Atmosphäre nicht sofort unter den Gefrierpunkt bringen, und der Gesprächspartner soll sein Gesicht nicht verlieren. Also holen wir alles hervor, was frühere Seminare uns so schön vermittelt haben - Wertschätzung, Ich-Botschaften, Hintertürchen und sogenannte rhetorische Weichmacher.

Das Ganze könnte dann in etwa so aussehen: "Lieber Herr X, vielen Dank für Ihr nettes Angebot, dass wir uns duzen. Ich weiß Ihr Vertrauen wirklich zu schätzen, würde mich nur wohler dabei fühlen, wenn wir erst mal noch beim Sie blieben. Wäre das in Ordnung für Sie?"

Obwohl ich, vor allem im beruflichen Umfeld, ebenfalls ein Freund des gepflegten "Sie" bin, gehe ich davon aus, dass diese Form der Ansprache auch hierzulande ein Auslaufmodell ist. Wenn wir einen Blick über den deutschsprachigen Tellerrand in Richtung Dänemark oder Schweden wagen, fällt auf, dass das "Sie" dort kaum noch Anwendung findet. Ohne jedoch die übrigen Sitten und Gebräuche in den Abgrund zu reißen. Genießen wir also das "Sie", solange es noch existiert. Dass dies bei entsprechender Nähe auch einen gewissen Charme bergen kann, zeigt nicht zuletzt der klassische Badewannen-Dialog zwischen Herrn Müller-Lüdenscheidt und Herrn Doktor Klöbner.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

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