Arbeitsrecht:Aus heiterem Himmel

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Freistellung, Entgeltfortzahlung, Pflegezeit: Was Arbeitnehmern zusteht, wenn sie sich um kranke oder pflegebedürftige Angehörige kümmern müssen.

Interview von Gunda Achterhold

Ulrike Augustin ist Referentin für Arbeits- und Sozialrecht bei der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern. Sie weiß, was Beschäftigten in besonders belastenden Situationen zusteht.

SZ: Welche Rechte habe ich als Arbeitnehmer, wenn ich mich plötzlich um einen akut erkrankten oder pflegebedürftigen Angehörigen kümmern muss?

Ulrike Augustin: Erkrankt ein Kind unter zwölf Jahren, haben Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung von bis zu zehn Arbeitstagen, sofern die Betreuung und Pflege nicht anders gewährleistet werden kann. Bei Alleinerziehenden sind es sogar 20 Tage. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber besteht je nach Einzelfall in der Regel bis zu fünf Arbeitstage, wenn dies im Vertrag nicht ausgeschlossen ist. Ansonsten haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf Kinder-Krankengeld.

Und was ist, wenn man sich um andere Angehörige kümmern muss?

Wer von heute auf morgen die Versorgung eines akut pflegebedürftigen Angehörigen sichern muss, darf der Arbeit laut Pflegezeitgesetz sofort bis zu zehn Tage fernbleiben. Mitarbeiter können sich auch länger, bis zu sechs Monate, vom Arbeitgeber freistellen lassen - vollständig oder auch nur teilweise. Vorausgesetzt, die Firma hat mehr als 15 Beschäftigte.

Wenn ich meine Arbeitszeit reduziere, um einen Angehörigen zu pflegen, tappe ich dann in die Teilzeitfalle?

Die Gefahr besteht nicht, wenn die Arbeitszeit befristet reduziert wird. Laut Familienpflegezeitgesetz können Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 25 Beschäftigten eine Familienpflegezeit von bis zu 24 Monaten beantragen. In dieser Zeit müssen sie wöchentlich mindestens 15 Stunden arbeiten. Anschließend steigt der Arbeitnehmer wieder voll ein, darauf hat er einen Anspruch.

Eine unbezahlte Freistellung muss man sich leisten können. Welche finanziellen Hilfen gibt es?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wer einen Angehörigen in der letzten Lebensphase begleiten will oder tatsächlich bis zu zwei Jahre weniger arbeitet, kann zum Beispiel ein staatliches Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragen. Bei kurzfristigeren Freistellungen ist zu klären, ob ein Vergütungsanspruch besteht. Er kann im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden. In diesem Fall zahlt unter Umständen die Pflegekasse Pflegezeitunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung.

Ein Todesfall in der Familie belastet nicht nur emotional, es ist auch immer viel zu regeln. Wie viel Zeit steht trauernden Mitarbeitern zu?

Beim Todesfall eines nahen Angehörigen besteht - soweit im Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen - ein Anspruch auf bezahlte Freistellung für eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit", das sind in der Regel zwei Arbeitstage. Möchte sich der Arbeitnehmer länger freinehmen, muss er dafür entweder seinen Urlaub einsetzen oder mit seinem Arbeitgeber eine unbezahlte Freistellung verabreden.

Führt das zu Konflikten?

Wir beobachten eher, dass die Beteiligten fast immer gute Lösungen finden - selbst dann, wenn es keine gesetzlichen Regelungen gibt. Es besteht allerdings ein großes Informationsbedürfnis. Unsere Mitgliedsunternehmen fragen häufig bei uns an, was denn eigentlich Stand der Dinge ist.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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