Immer mehr Minijobber:Trend zum Zweitjob

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Seit 2003 hat sich die Zahl der Bundesbürger mit einem Nebenjob mehr als verdoppelt. Nach Erhebungen der Arbeitsagentur sind es aber nicht nur Schlechtbezahlte, die sich etwas dazuverdienen. Die Frage ist: Wollen sie es oder müssen sie es?

Sibylle Haas

Sie arbeiten nach dem regulären Dienstschluss noch woanders als Pförtner, fahren Taxi, füllen im Supermarkt Regale auf oder gehen putzen. Immer mehr Menschen verdienen sich neben ihrem Hauptberuf noch etwas dazu. Das sagt die jüngste Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Mal sind es Ruheständler, denen die Rente nicht reicht oder die sich fit fühlen und weiter arbeiten wollen. Mal sind es Arbeitnehmer, die größere Anschaffungen planen und deshalb zeitweise etwas dazuverdienen.

Begünstigt wurde der Trend zum Zweitjob durch eine Neuregelung, die zum April 2003 gültig wurde. Seitdem sind für sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer zusätzliche Minijobs bis 400 Euro steuer- und abgabenfrei. "Das war vorher nicht der Fall. Das ist einer der Gründe, warum die Zahlen steigen", erklärt eine Sprecherin der Bundesagentur in Nürnberg. Ein Blick in deren Statistik zeigt, dass sich seit 2003 die Zahl der Nebenjobber mehr als verdoppelt hat. Demnach gab es 1,157 Millionen Nebenjobber im Juni 2003. Im März 2012 waren es bereits 2,524 Millionen geringfügig Beschäftigte im Nebenjob. Damit ist der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer mit Nebenjob von 4,3 auf 8,8 Prozent gestiegen.

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Für Gewerkschaften und Linke zeigt diese Entwicklung, dass Arbeit nicht mehr existenzsichernd ist und ein einziger Job oft nicht mehr zum Leben reicht. Bestätigt wird dies durch jüngste Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, wonach immer mehr Menschen zu Niedriglöhnen arbeiten. Während im Jahr 2010 bereits 20,6 Prozent aller Beschäftigten zum Niedriglohn beschäftigt waren, waren es im Jahr 2006 noch 18,7 Prozent.

Von einem Niedriglohn spricht man, wenn der Verdienst eines Beschäftigten kleiner als zwei Drittel des mittleren Verdienstes aller Beschäftigten ist. Die so für 2010 bestimmte Niedriglohngrenze, unterhalb derer alle Verdienste als Niedriglöhne gelten, lag nach Angaben der Statistiker bei 10,36 Euro Bruttostundenverdienst. Die meisten Beschäftigten, die 2010 einen Niedriglohn erhielten, waren atypisch beschäftigt: Sie arbeiteten in Teilzeit, befristet, als Zeitarbeitnehmer oder als Mini-Jobber.

Gewerkschafter protestieren zum "Welttag für menschenwürdige Arbeit" am 7. Oktober gegen prekäre Beschäftigung. "Die Lohn- und Sozialdumpingspirale nach unten muss gestoppt werden. Deutschland und Europa müssten mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es um gerechte Löhne, gute Arbeitsbedingungen und die Bekämpfung prekärer Beschäftigung geht. Leider geht es mit dem Fiskalpakt in die entgegengesetzte Richtung", sagte DGB-Chef Michael Sommer am Freitag in Berlin.

Unsichere und informelle Beschäftigung breite sich weltweit aus, klagte Sommer, und sei nicht auf die armen Länder des Südens beschränkt. "Die Zunahme prekärer Beschäftigung ist ein arbeitsmarktpolitischer Irrweg. Die Menschen wollen sichere und faire Arbeit und keinen Missbrauch von Leiharbeit, Werkverträgen, Befristungen und Minijobs", sagte Detlef Wetzel, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, zum Aktionstag der Metallgewerkschaft am Freitag in Frankfurt

© SZ vom 06.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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