Sierra Leone:Streik der Totengräber

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Das Ebola-Behandlungszentrum in Kenama hat einen Friedhof eingerichtet. Die Bestattung ist hochgefährlich. (Foto: Francisco Leong/AFP)

Sierra Leones Bestatter riskieren seit Ausbruch der Ebola-Epidemie täglich eine Ansteckung und warten seit Oktober auf ihr Gehalt. Nun ließen sie die Toten einfach auf der Straße liegen.

Von Tobias Zick, Nairobi

Es war eine Protestaktion der brachialen Art. Streikende Bestatter ließen am Montagnachmittag 15 Leichen auf den Straßen von Kenema liegen, der drittgrößten Stadt von Sierra Leone. Zwei der Toten luden sie Berichten zufolge vor dem Eingang des staatlichen Krankenhauses ab und einen weiteren vor dem Büro des Direktors, was nicht nur einen symbolisch sehr deutlichen Akt darstellte: Bei den Toten handelte es sich um Ebola-Leichen, von denen höchste Ansteckungsgefahr ausgeht.

Die Bestatter wollten mit der Aktion gegen ausbleibende Gehaltszahlungen protestieren. Seit Oktober hätten sie keine Risikozulagen mehr erhalten, sagte einer von ihnen: "Wir riskieren unsere Leben für diese Nation, deshalb sollte das Geld, das uns geschuldet wird, pünktlich bezahlt werden." In der Tat hat die Arbeit der eigens aufgestellten Bestattungs-Teams eine Schlüsselfunktion im Kampf gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika: Das Virus konnte sich auch deshalb in den vergangenen Monaten so schnell ausbreiten, weil die Leichen derer, die daran gestorben waren, erst mit großer Verzögerung abgeholt wurden und in vielen Fällen ohne jegliche Maßnahmen zum Schutz vor Ansteckung beerdigt wurden.

Vor zwei Wochen waren Krankenhausmitarbeiter in der weiter westlich gelegenen Stadt Bo aus ähnlichen Gründen in den Streik getreten. Auch sie beschwerten sich über die mangelnde Bezahlung bei höchsten Risiken. Die Arbeit von Krankenpflegern und Bestattern in den Ebola-Gebieten ist nach wie vor gefährlich: Nach Berechnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind seit Ausbruch der Epidemie Ende des vergangenen Jahres 337 Mitarbeiter der Gesundheitssysteme an Ebola gestorben.

Ein Sprecher des staatlichen Ebola-Notfallzentrums, Sidi Yahya Tunis, sagte der BBC, die streikenden Bestatter seien nach ihrer Protestaktion entlassen worden - ausdrücklich nicht wegen des Streiks, sondern wegen der "sehr, sehr unmenschlichen" Behandlung der Toten. Zugleich kündigte er eine Untersuchung der Gründe an, weshalb die Bestatter ihre Bezahlung nicht planmäßig erhalten hatten, obwohl die Regierung wie auch die Weltbank Geld für genau solche Hochrisiko-Arbeiten im Kampf gegen die Seuche bereitgestellt hatten. Man werde herausfinden, "wo dieses Geld hingeflossen ist und an wen es gezahlt wurde."

Der Eklat von Kenema wirft ein Schlaglicht darauf, wie schwierig der Kampf gegen die grenzüberschreitende Epidemie nach wie vor ist - auch wenn einige Erfolgsmeldungen in jüngster Zeit den trügerischen Eindruck erweckt haben, die Situation sei unter Kontrolle. So ist in der liberianischen Hauptstadt Liberia, die bis vor kurzem noch als das Epizentrum der Epidemie galt, die Zahl der Neuinfektionen zurückgegangen. In mehreren der mit internationaler Hilfe neu gebauten Behandlungszentren stehen Betten leer - offenbar haben die veränderten Gewohnheiten in der Bevölkerung zu wirken begonnen.

Ebola-Tote werden mehrheitlich nicht mehr, wie traditionell üblich, vor der Beerdigung rituell gewaschen, sondern in Krematorien verbrannt; die Menschen vermeiden jeglichen Handschlag und desinfizieren sich die Hände regelmäßig mit Chlorlösung. Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf kündigte deshalb an, der monatelange Ausnahmezustand im Land werde nicht verlängert.

Bei allem Optimismus warnen Mediziner jedoch, die Seuche könne in der Hauptstadt jederzeit neu aufflammen. In entlegenen Regionen Liberias steigt unterdessen die Zahl der Infektionen weiter. Besonders dramatisch breitet sich das Virus derzeit wieder in Sierra Leone aus, wo sich die Lage zwischenzeitlich etwas entspannt hatte. In dem Land mangelt es, verglichen mit Liberia, deutlich stärker an Behandlungsstationen mit Isolier-Einheit und an ausländischem Fachpersonal.

Laut Statistiken der WHO haben sich seit Ausbruch der Seuche inzwischen mehr als 15 000 Menschen mit Ebola infiziert, etwa 5500 sind an dem Virus gestorben - wobei die Dunkelziffer groß sein dürfte. Der Leiter der UN-Mission für den Kampf gegen Ebola, Anthony Banbury, warnt, von einem Sieg über die Seuche sei man noch "sehr, sehr weit entfernt", der internationalen Gemeinschaft stehe noch eine "lange Schlacht" bevor. Das zuvor ausgerufene Ziel, bis zum Stichtag 1. Dezember mindestens 70 Prozent der Infizierten in qualifizierte Behandlung zu bringen und mindestens 70 Prozent der Ebola-Toten sicher zu bestatten, werde nicht flächendeckend erreicht, so Banbury. Die Ressourcen vor Ort müssten weiter "massiv" verstärkt werden.

Nach Berechnungen des UN-Hilfswerks OCHA ist etwa eine Milliarde Dollar an internationaler Hilfe nötig, um die Epidemie einzudämmen. Allerdings sind bislang nur 60 Prozent dieses Betrages bei den Hilfsorganisationen eingegangen.

© SZ vom 27.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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