Pharmaindustrie:Pfusch bei Zulassung von Medikamenten

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Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte prüft, "ob das Ruhen der betroffenen Zulassungen angeordnet wird". (Symbolbild)

(Foto: Matthias Hiekel/dpa)
  • Die indische Firma GVK Bio in Hyderabad soll medizinische Studien gefälscht haben. Deutschen Pharmaunternehmen droht nun der Entzug von Medikamentenzulassungen. Zu den Firmen gehören unter anderem Hexal und Betapharm.
  • Betroffen sind bisher mehr als 100 Zulassungen für sogenannte Generika, Nachahmerpräparate. Der Skandal könnte sich aber noch ausweiten.
  • Arzneimittelbehörden erwägen, die Präparate vom Markt zu nehmen.

Von Christina Berndt und Katja Riedel

Etlichen deutschen Pharmaunternehmen droht aufgrund mutmaßlich gefälschter medizinischer Studien der Entzug von Medikamentenzulassungen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bestätigte entsprechende Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung.

Die Anzahl der betroffenen Medikamente lasse sich noch nicht exakt beziffern, so das BfArM. Geprüft werden offenbar mehr als hundert Medikamentenzulassungen. Unter den betroffenen Herstellern sind die Firmen Betapharm aus Augsburg und Hexal aus Holzkirchen. Bei Betapharm geht es um zwei Medikamente. Die Firma gibt an, nichts von fehlerhaften Studien gewusst zu haben. Bei Hexal ist das Antiallergikum Fexofenadin betroffen. Die Rechte an dem Mittel habe Hexal aber erst nach der Zulassung erworben, teilte ein Sprecher mit.

Alle fraglichen Studien stammen nicht von den Pharmaunternehmen selbst, sondern von der indischen Firma GVK Bio in Hyderabad. Im Frühjahr 2014 hatte die französische Arzneimittel-Überwachungsbehörde ANSM bei einer Stichprobe festgestellt, dass GVK Bio in allen neun überprüften Studien offenbar einen Teil der Ergebnisse gefälscht hatte. So sollen Resultate von Herzuntersuchungen manipuliert worden sein.

GVK Bio testet Medikamente an Menschen

GVK Bio ist eines der größten Forschungsunternehmen in Asien, das im Auftrag weltweit agierender Pharmakonzerne Tests an Menschen übernimmt. Dokumente der europäischen Arzneimittelbehörde EMA und der EU-Kommission zeigen, dass die EMA von systematischen Manipulationen in Hyderabad ausgeht. Demnach waren mindestens zehn GVK-Bio-Mitarbeiter an den Manipulationen beteiligt. Auch fanden diese über einen langen Zeitraum statt - mindestens zwischen 2008 und 2013. GVK Bio äußerte sich auf Anfrage nicht.

Bei den fraglichen Tests handelt es sich bisher ausschließlich um Bioäquivalenzstudien. Diese sind für die Zulassung von Generika nötig - von Nachahmerpräparaten, die nach Ablauf des Patentschutzes eines Originalpräparats auf den Markt kommen. Die Hersteller müssen nachweisen, dass ihr Generikum mit dem Original vergleichbar ist. GVK Bio bietet aber auch Studien für gänzlich neue Medikamente an. Der Verdacht könnte sich also ausweiten.

Derzeit keine Hinweise auf Gefahren für die Verbraucher

Im Juli hat die EMA alle Generika-Hersteller angeschrieben, die zuletzt mit GVK Bio zusammengearbeitet haben. Sie wird in Kürze entscheiden, ob für einige Medikamente zusätzliche Studien notwendig sind oder Mittel vom Markt genommen werden sollten. Eine gesetzlich bindende Entscheidung trifft dann die EU-Kommission.

Für Zulassungen, die allein den deutschen Markt betreffen, ist das BfArM zuständig. Dort hat man die Hersteller im November in einem Anhörungsverfahren zur Stellungnahme aufgefordert und will jetzt kurzfristig entscheiden, "ob das Ruhen der betroffenen Zulassungen angeordnet wird", wie eine Sprecherin erklärt. Noch seien nicht alle Stellungnahmen eingegangen. Man strebe ein auch terminlich abgestimmtes gemeinsames Vorgehen mit den anderen EU-Ländern an. Hinweise auf Gesundheitsgefahren für die Verbraucher seien "derzeit nicht bekannt".

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