Medikament gegen Ebola:Ein Schimmer der Hoffnung

Lesezeit: 3 min

Ein Grippemedikament könnte gegen Ebola helfen. In ersten Tests hat die Arznei vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Doch die beteiligten Forscher trauen ihren Daten noch nicht recht.

Von Kai Kupferschmidt

Noch geht nichts ohne Schutzkleidung, doch es gibt Hoffnung: Ein Grippemittel soll Ebola-Patienten in Guinea geholfen haben. Bewiesen ist jedoch nichts. (Foto: John Moore/Getty Images)

Wirkt es oder wirkt es nicht? Das ist die Frage, die Ebolaforscher zurzeit beschäftigt. Das japanische Grippemittel Favipiravir soll in Guinea die Zahl der Todesfälle in einer Gruppe von Patienten um die Hälfte gesenkt haben. Es ist das erste Mal, seit das Virus vor fast 40 Jahren entdeckt wurde, dass ein Ebolamedikament in Tests am Menschen einen positiven Effekt zeigt. "Das wäre schon ein Durchbruch, wenn sich das bestätigt", sagt der Virologe Stephan Günther vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg, der an der Studie beteiligt ist. Endlich hätten Forscher etwas in der Hand, um das Virus gezielt zu bekämpfen.

Doch es bleiben zahlreiche Fragezeichen: Die Daten sind immer noch nicht veröffentlicht, und selbst die Forscher äußern sich zurückhaltend. "Das ist bisher nur ein schwaches Signal", sagt Yves Levy, Direktor des französischen Instituts für Gesundheit und medizinische Forschung in Paris, das die Studie leitet. Und Günther sagt: "Wissenschaftlich steht das auf wackligen Beinen." Medikamente zu testen ist immer eine schwierige Angelegenheit, doch selten ist es schwieriger gewesen als in Westafrika, während dort das Virus wütet.

"Niemand hat damit gerechnet, dass wir ein Wundermittel finden"

Noch immer erkranken in Guinea, Sierra Leone und Liberia Menschen an Ebola, in der vergangenen Woche waren es 124. Im Vergleich zur Vorwoche hat die Zahl der Erkrankungen in jedem der drei Länder zugenommen. "Das Virus hat uns diese Woche deutlich gesagt, dass es nicht so weggehen wird, wie wir uns das vorstellen", sagte Bruce Aylward, Sonderbeauftragter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Ebola bei einer Pressekonferenz in Genf.

Zugleich sind die Zahlen aber deutlich niedriger als im vergangenen Sommer, als in manchen Wochen mehr als 700 Menschen erkrankten. Damals suchten Forscher verzweifelt nach Medikamenten, um Menschenleben zu retten. Als viel versprechendster Ansatz galt Zmapp eine Mischung von Antikörpern, die das Virus im Körper von Affen unschädlich gemacht hatte. Doch nachdem nur eine Handvoll Patienten damit behandelt worden waren, erklärte die Firma Mapp Biopharmaceuticals aus San Diego, dass die Vorräte aufgebraucht seien. Auf der Suche nach Alternativen stießen Wissenschaftler unter anderem auf Favipiravir, ein Mittel, dass Toyoma Chemical, eine Tochterfirma von Fujifilm, entwickelt hatte, und das in Japan gerade für Influenzainfektionen zugelassen worden war. Das Mittel hatte in Studien mit Mäusen auch Wirksamkeit gegen das Ebolavirus gezeigt, und Forscher beschlossen, es im Menschen zu testen.

In der Regel verlassen sich Wissenschaftler auf randomisierte, klinische Studien, in denen Patienten entweder das zu untersuchende Medikament oder ein Scheinpräparat erhalten. Die beiden Gruppen werden ausgelost, weder Arzt noch Patienten wissen, wer welches Mittel erhalten hat. Die Gruppen lassen sich dann direkt miteinander vergleichen. In der Ebola-Epidemie galt dieses Vorgehen vielen aber als ethisch nicht akzeptabel, da es gegen diese Krankheit kein anderes Mittel gibt und diese so tödlich ist.

In der Studie, die im Dezember begann, gibt es deshalb keinen Kontrollarm. Jeder Ebola-Patient, der in eines von zwei Behandlungszentren in Guinea kam, erhielt das Mittel. Verglichen wurde die Sterbensrate der Patienten mit der vor Beginn der Studie. Nach jeweils 20 Patienten analysierte ein unabhängiges Gremium die Daten. Das ist unter anderem wichtig, damit die Studie frühzeitig gestoppt werden kann, falls das Medikament schwere Nebenwirkungen verursacht.

Am 26. Januar traf sich dieses Gremium, um die Daten der ersten 80 Patienten zu begutachten. Dabei fanden sie Hinweise darauf, dass das Medikament zumindest bei denen gewirkt hatte, die zu Beginn der Therapie wenige Viren im Blut hatten, sagt Levy. Dass nur diese Gruppe profitiere, sei nicht überraschend, sagt Günther. "Niemand hat damit gerechnet, dass wir ein Wundermittel finden, das die Leute wieder zurückholt, die kurz vorm Sterben sind."

Die Forscher wollen die Daten erst am 25. Februar auf einer Konferenz in San Diego bekannt geben, doch die New York Times hat bereits Teile veröffentlicht. Forscher, die die Ergebnisse gesehen haben, bestätigten, dass etwa 15 Prozent der Patienten mit niedriger Viruslast an Ebola starben. In den Wochen vor der Medikamenten-Studie waren noch etwa 30 Prozent von ihnen gestorben.

Doch niemand weiß, wie zuverlässig dieser Vergleich ist. Wäre die Todesrate möglicherweise auch ohne das Medikament gesunken? Hat sich das Virus vielleicht abgeschwächt oder die Therapie auch ohne Favipiravir verbessert? "Man kann sagen, das heißt gar nichts, oder man kann sagen, das ist vielversprechend. Wir brauchen mehr Forschung, um herauszufinden, was tatsächlich passiert ist", sagt Marie-Paule Kieny, stellvertretende Chefin der WHO.

Die Studie soll nun auf weitere Behandlungszentren ausgedehnt werden; inzwischen seien 101 Patienten aufgenommen worden, sagt Levy. Selbst wenn die Daten sich bestätigen, ist es aber nur ein erster Erfolg. "Im besten Fall haben wir etwas, was einem Teil der Patienten hilft", sagt Kieny. Auch darum sind weitere Tests geplant. So ist inzwischen genug Zmapp vorhanden, um eine Studie zu beginnen. Die Studie, die von der Nationalen Gesundheitsbehörde der USA geleitet werden soll, wird die erste sein, die als randomisierte, klinische Studie durchgeführt wird. Bisher hat sich nur Liberia bereit erklärt, an den Tests teilzunehmen, und dort sind inzwischen die wenigsten Patienten. Auch die Forschung an Medikamenten ist ein Wettlauf gegen die Zeit.

© SZ vom 12.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: