Klonen:Was den Menschen ausmacht

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Wenn ein geklonter Mensch geboren würde, würden wir ihn richtigerweise als einen von uns betrachten.

(Foto: dpa)

Beim Klonen machen Forscher etwas, das es in der Natur nicht gibt. Ein Mensch verdankt seine genetische Ausstattung dann nicht mehr dem Zufall - und sie ist nicht neu. Eine wichtige Bedingung von Freiheit und Entzogenheit, die wir bislang alle teilen, entfällt. So sollten wir nicht miteinander umgehen.

Ein Gastbeitrag von Christiane Woopen

Christiane Woopen, 50, ist Vorsitzende des Deutschen Ethikrats und leitet die Forschungsstelle Ethik an der Universität Köln.

Der Deutsche Ethikrat veröffentlichte Ende April seine Stellungnahme zur Zukunft der genetischen Diagnostik. Die Bundesregierung hatte sie in Auftrag gegeben. Angelina Jolie erzählte Mitte Mai in der New York Times ihre persönliche Geschichte über ihren Umgang mit einem erhöhten Risiko für Brust- und Eierstockkrebs. Ebenfalls Mitte Mai erschien ein Bericht über das Klonieren menschlicher Embryonen. Was haben diese drei Veröffentlichungen gemeinsam? Sie handeln alle von der Bedeutung der Gene für unser Leben. Sie handeln alle von Schicksal und Freiheit - und damit von Verantwortung.

Seit jeher nehmen wir Menschen das Schicksal nicht einfach an, sondern versuchen, es zu gestalten. Wir wollen Widerfahrnissen nicht ausgeliefert sein, wir wollen sie, soweit es geht, beherrschen. Deswegen bauen wir Deiche gegen Überschwemmungen und nehmen Medikamente gegen Krankheiten.

Durch wissenschaftliche Fortschritte können wir immer mehr tun. Manche scheinen zu glauben, dass wir dadurch dem Schicksal entkommen könnten. Sie irren. Das Schicksal kommt nur um eine andere Ecke in unser Leben.

Es irren aber auch diejenigen, die das Schicksalhafte als Wert an sich hochstilisieren und die es als Kontrollwahn brandmarken, wenn man es im Einzelfall vermeiden will. Wenn Angelina Jolie sich angesichts der Erfahrungen mit ihrer Familie und ihres eigenen Risikos ihr Brustdrüsengewebe vorsorglich entfernen lässt, verfällt sie weder einem Kontrollwahn, noch entkommt sie jedwedem Schicksal. Sie gestaltet eine höchstpersönliche Schicksalsfacette ihres Lebens so, wie sie es für richtig hält. Das ist mutig. Wenn andere Frauen in einer ähnlichen Situation regelmäßige Untersuchungen zur Früherkennung vorziehen, ist das ebenso mutig. Mut zeigt sich nicht darin, radikale Maßnahmen zu ergreifen, sondern darin, den Tatsachen ins Auge zu sehen und sein Leben beherzt zu gestalten.

Das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, beträgt bei einer BRCA1-Mutation für die Dauer des ganzen Lebens etwa 60 bis 80 Prozent. Altersabhängig beträgt das Risiko für jedes einzelne Jahr ein bis zwei Prozent. Das klingt schon ganz anders. Um diese Zahlen bewerten und für sich daraus eine Entscheidung ableiten zu können, sollte man sich mit einem Spezialisten beraten und sich viel Zeit lassen. Das gilt umso mehr für weiterreichende Untersuchungen vieler Gene bis hin zum gesamten Genom, die hilfreich, nichtssagend oder gar irreführend sein könnten. Hierzu gibt der Ethikrat in seiner Stellungnahme differenzierte Informationen und Empfehlungen.

Was bedeuten die Gene für das Schicksal eines Menschen? Viele Menschen halten sie für das Programm unseres Lebens. Sie denken, dass ein Blick in die Gene ein Blick in die Zukunft sei. Doch dadurch, dass wir die Buchstaben des Genoms entziffern können, können wir noch nicht das Buch unseres Lebens lesen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Gene nicht die verborgenen Autoren unserer Biografie sind, sondern dass wir selbst unsere Lebensgeschichte schreiben. Dabei sind wir natürlich an Rahmenbedingungen gebunden.

Von den Möglichkeiten, neue Menschen zu erschaffen

Zu Beginn unseres Lebens erhalten wir eine bestimmte genetische Ausstattung. Was sie für uns bedeutet, wird im Laufe des Lebens epigenetisch durch das An- und Abschalten sowie das Verändern von Genen beeinflusst. Hier spielen auch geistige, seelische und emotionale Faktoren eine Rolle. Wir entfalten uns in einem ständigen Dialog mit der äußeren und inneren Umgebung. Nach meiner persönlichen Überzeugung ist die Unterscheidung zwischen biologischen und nichtbiologischen Faktoren nur eine Frage der Betrachtungsweise. Im Grunde ist der Mensch eine Einheit von Körper, Geist und Seele und kann nur als diese Einheit sein Leben gestalten.

Amerikanische Wissenschaftler haben nun das Genom einer menschlichen Eizelle entfernt und durch das Genom einer fetalen Hautbindegewebszelle ersetzt. Die so entstandene Zelle hat sich sieben Tage entwickelt, dann wurden Stammzellen gewonnen. Beim Klonieren mittels Zellkerntransfer wird ein Genom gleichsam wiederverwendet. Führt dieser Entstehungsprozess zu einer Zelle, die wir ethisch und rechtlich in derselben Weise als Embryo betrachten wie einen Embryo, der durch Befruchtung, also durch die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, entsteht? Kommt es vorrangig darauf an, ob die Zelle das Potenzial hat, sich so zu entwickeln, dass ein Mensch geboren werden kann?

Ich sehe im Entstehungsprozess ethisch relevante Unterschiede. Wenn ein geklonter Mensch geboren würde, würden wir ihn richtigerweise als einen von uns betrachten. Er würde mit einem anderen Menschen nur das Genom teilen, seine Lebensgeschichte würde er immer noch selbst schreiben. Aber er würde diese Geschichte als jemand schreiben müssen, dem seine genetischen Anfangsbedingungen auf eine besondere Weise vorgegeben wurden.

Bei der künstlichen Befruchtung wird der natürliche Befruchtungsvorgang imitiert, beim Klonieren wird etwas getan, das es in der Natur gar nicht gibt. Den Zellkerntransfer als Variante menschlicher Befruchtung kennt die Natur nicht. Damit verdankt der entstehende Mensch seine genetische Ausstattung nicht mehr dem Zufall oder göttlichem Wirken und sie ist nicht neu. Eine wichtige Bedingung von Freiheit und Entzogenheit, die wir bislang alle teilen, entfällt. So sollten wir nicht miteinander umgehen.

Manche vermuten, dass ein durch Zellkerntransfer geklonter Mensch schwere Missbildungen aufweisen würde. Das mag vor allem bei den ersten Versuchen so sein, aber sicher ist nicht, dass es dauerhaft keinesfalls funktionieren kann. Manche vermuten, dass keiner ein Interesse am Fortpflanzungsklonen hat. Diejenigen seien an die Raelianer erinnert, die 2002 unbewiesen die Geburt des Klonbabys Eve verkündeten und jedem Interessierten das Klonen eines Menschen anbieten.

Ein weltweites Verbot des Fortpflanzungsklonens ist notwendig. Und man sollte es nicht noch einmal dadurch verhindern, dass man gleichzeitig ein Verbot des Forschungsklonens fordert und damit mehr will, als erreichbar ist. Forschungsklonen wird umstritten bleiben, und man kann seine Regulierung den Gesetzen der einzelnen Staaten überlassen.

Wir sind frei, unser Leben in Auseinandersetzung mit allem Schicksalhaften zu gestalten. Zunehmende Handlungsmöglichkeiten eröffnen großartige Chancen, können aber auch belasten und überfordern. Gene sind ein Teil unserer Lebensgeschichte. Jeder Einzelne, die Gesellschaft und der Staat sind verantwortlich dafür, dass sie dort ihre angemessene Rolle spielen.

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