Kinderlähmung:Bürgerkrieg in Syrien führt zu Polio-Ausbruch

Mindestens zehn Kinder sind in Syrien bereits an Kinderlähmung erkrankt, weitere Fälle sind zu befürchten. Denn anders als vor dem Bürgerkrieg sind Tausende Säuglinge nicht geimpft worden. Nun warnt die WHO, dass das Polio-Virus sich in der Region weiter ausbreiten könnte.

Neben allen Opfern, die der Bürgerkrieg in Syrien direkt fordert, kommen nun auch noch Kinder hinzu, die an Kinderlähmung erkrankt sind.

Wie die Weltgesundheitsorganisation WHO bestätigt hat, ist es gleich zu mehreren Fällen der gefährlichen Infektionskrankheit gekommen. Dank eines WHO-Programmes, das 1988 begann, ist die Krankheit weltweit fast völlig verschwunden. In Syrien galt das Leiden eigentlich seit 1999 als ausgerottet.

Untersuchungen hätten bei zehn von 22 Verdachtspatienten eine Infektion mit Polioviren vom Typ Eins bestätigt, sagte der Sprecher der Polio-Abteilung bei der WHO, Oliver Rosenbauer, in Genf. Die anderen zwölf Fälle würden noch untersucht. Laut Rosenbauer zeigten alle 22 Kinder akute Lähmungszustände, die bei Poliomyelitis (Kinderlähmung), aber auch bei anderen Krankheiten auftreten.

Polioviren greifen das Nervensystem an und können binnen Stunden zu irreparablen gesundheitlichen Schäden führen. Die drohenden Folgen sind dauerhafte Lähmungen oder Unterentwicklung von Gliedmaßen.

Alle betroffenen Kinder leben in der nordöstlichen Provinz Deir al Sur und sind allesamt jünger als zwei Jahre. Laut Rosenbauer wurden sie vermutlich nie gegen Polio geimpft. Weitere Verdachtsfälle seien nicht im Land bekannt. "Wir haben in der Region mit Impfungen begonnen", sagte Rosenbauer. In der Provinz sind mehr als 100.000 Kinder unter fünf Jahren einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt.

Nach UN-Angaben sind in den vergangenen zwei Jahren wegen der unsicheren Lage in dem Bürgerkriegsland insgesamt eine halbe Million Kinder nicht gegen Kinderlähmung geimpft worden. Bevor der Konflikt vor mehr als zwei Jahren ausbrach, waren in Syrien nahezu alle Kinder gegen Polio immunisiert.

Als ansteckende Krankheit verbreite sich Polio mit Bevölkerungsbewegungen stärker, hieß es bei der WHO. Der Krieg hat Hunderttausende in die Flucht getrieben. Deshalb bestehe das große Risiko, dass das Virus in andere Gegenden gelange und sich über die Grenzen Syriens hinweg in der Region ausbreite, sagte Rosenbauer.

Bereits in der vergangenen Woche haben deshalb Hilfsorganisationen und die syrischen Gesundheitsbehörden damit begonnen, die Impfung von 2,4 Millionen Kindern vorzubereiten. Sie sollen gegen Polio, Masern, Mumps und Röteln geimpft werden. Die Maßnahmen werden aber wegen des Krieges längst nicht überall vorgenommen werden können.

Auch in Nachbarländern sollten die Polio-Impfungen verstärkt werden, forderte die WHO.

Das Polio-Virus ist hochansteckend und wird vor allem über kontaminierte Nahrung und verseuchtes Wasser verbreitet. Gefährdet sind vor allem Kinder, aber auch Erwachsene können an Polyomyelitis erkranken. Die Viren vermehren sich im Darm und können von dort die Nervenzellen angreifen, schreibt die WHO auf ihrer Homepage. In wenigen Fällen kommt es zu dann häufig bleibenden Lähmungen. Viele Betroffene zeigen allerdings keine Symptome, verbreiten die Viren jedoch.

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