Ebola in Westafrika:Das Virus könnte tödlicher sein als angenommen

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Etwa jeder Zweite überlegt nach offizieller Schätzung die Ebola-Epidemie nicht. (Foto: REUTERS)

Etwa jeder zweite stirbt an der Ebola-Epidemie - schätzt die WHO. US-Forscher zweifeln an den Berechnungen und kommen auf eine viel höhere Todesrate.

Von Hanno Charisius

Obwohl das Ebola-Virus, das zurzeit in Westafrika wütet, bereits weit mehr als 2000 Menschen getötet hat, gilt es als vergleichsweise zahm - zumindest im Vergleich mit Erregern aus früheren Ausbrüchen. In ihrem jüngsten Bericht vom 5. September gibt die Weltgesundheitsorganisation WHO die Todesrate insgesamt mit 53 Prozent an. Dieser Wert entsteht durch das gängigen Berechnungsverfahren, das etwa nach folgendem Schema funktioniert: 100 Menschen haben sich infiziert, 50 sind an dem Virus gestorben. Auf den ersten Blick ergibt sich daraus eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 50 Prozent. Doch leider führt diese Zahl in die Irre.

Dieses Abschätzverfahren lässt außer Acht, dass zwischen Ausbruch der Krankheit bei einem Menschen und seinem Tod einige Zeit vergeht. In der aktuellen Epidemie dauert es etwa 16 Tage, falls der Patient nicht geheilt werden kann. Um die Letalität präziser zu ermitteln, müsste man also die aktuelle Zahl der Toten mit der Zahl der Infizierten vor 16 Tagen ins Verhältnis setzen, sagt Maia Majumder vom Massachusetts Institute of Technology. Nach dieser Methode kommt sie auf eine Letalität von mehr als 80 Prozent.

Wahrscheinlich liegt Majumder mit ihren Berechnungen zumindest dichter an der wirklichen Todesrate, als die Zahlen der WHO. Bei früheren Ausbrüchen tötete der Ebola-Stamm, der zurzeit in Westafrika wütet, bis zu 90 Prozent der Infizierten. Das hatten Datenanalysen nach Ende der Epidemie ergeben. Andere Schätzungen zur Letalität der aktuellen Epidemie kommen auf 70 Prozent.

Wie viele Opfer das Virus fordert, hängt aber nicht nur von der Aggressivität des Erregers ab, sondern auch von der medizinischen Versorgung, die ein Infizierter bekommt. Wird ein Ebola-Patient mit ausreichend Flüssigkeit und Nährstoffen versorgt, bessern sich seine Überlebenschancen deutlich. Wie tödlich ein Virus wirklich ist, weiß man erst am Ende eines Ausbruchs. Und selbst dann bleiben viele Unsicherheiten: Gezählt werden immer nur die Fälle, die offiziell im Krankenhaus behandelt wurden. Die vielen Kranken, die von keinem der überfüllten Hospitäler mehr aufgenommen werden können, gehen in keine Statistik ein. Sie kehren zurück zu ihre Familien, wo sie nur notdürftig versorgt werden können und das Virus mit großer Wahrscheinlichkeit weiter geben. Derzeit ist das vielleicht sogar die größere Zahl der Ebola-Infizierten.

© SZ vom 12.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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