Diagnose bei Krebs:Mut zur Biopsie

Die Vorstellung hält sich hartnäckig: Die Entnahme von Gewebeproben soll angeblich dazu beitragen, dass Krebs streut. Das ist falsch - und nicht der einzige Irrglaube im Umgang mit Krebs.

Von Werner Bartens

Die Vorstellung ist ziemlich beängstigend, und dieses Bild prägt sich sofort ein: Irgendwo im Körper haben sich schlummernde Krebszellen versteckt. Noch richten sie keinen Schaden an, aber dann kommt die Biopsie-Nadel, dringt in das Gewebe ein, die Probe wird entnommen. Viele medizinische Laien - und auch manche Ärzte - glauben, dass auf diese Weise der Tumor erst dazu angeregt wird, sich auszubreiten und im Körper zu streuen. Liegt es etwa am Doktor und der Gewebeuntersuchung, wenn Krebs wuchert und Absiedlungen bildet?

Dieser Irrglaube gehört zu den zahlreichen Mythen um Krebs und seine Entstehung. Ärzte aus Florida haben das Vorurteil von der schädlichen Biopsie nun widerlegt. Im Fachmagazin Gut von diesem Samstag zeigen sie, dass Patienten davon profitieren, wenn die Diagnose mithilfe von Gewebeproben detaillierter erstellt wird. Kranke mit einem Krebs der Bauchspeicheldrüse, denen mittels Feinnadel-Aspiration eine Probe aus dem verdächtigen Bereich entnommen wurde, lebten länger und konnten besser behandelt werden als Patienten, deren Tumor nicht feingeweblich untersucht wurde.

"Unsere Studie zeigt, dass Ärzte wie Patienten gewiss sein können, dass die Biopsie sicher ist", sagt Michael Wallace, der die Untersuchung geleitet hat. "Weltweit werden jedes Jahr Millionen Krebsbiopsien vorgenommen, aber Einzelfallberichte haben den Mythos begründet, dass Gewebeproben Krebs streuen lassen."

Zwar werden nach Biopsien der inneren Organe gelegentlich verschleppte Krebszellen in der Bauchhöhle entdeckt, doch das ist klinisch ohne Bedeutung. 2013 hatte das Ärzteteam um Wallace bereits gezeigt, dass Krebspatienten nicht öfter einen Rückfall nach der Therapie erleiden, wenn bei ihnen eine Gewebeprobe entnommen wurde. Auch für andere Krebsformen gilt dieser Befund, weder Rückfälle noch Metastasen kommen nach einer Biopsie häufiger vor. Und die Prognose verbessert sich sogar.

Schließlich liefert die Untersuchung genauer Aufschluss über die Art, den Schweregrad und andere Charakteristika des Tumors. Davon hängt ab, ob besser operiert, chemotherapiert oder bestrahlt werden sollte. "Biopsien haben auch deshalb einen hohen Stellenwert, weil sie es erlauben, die Therapie auf jeden Patienten individuell abzustimmen", sagt Wallace.

Ähnlich verbreitet wie die Mär von Metastasen nach der Punktion ist der Irrglaube an die "Krebs-Persönlichkeit". Demnach erkranken in sich gekehrte Menschen eher an Tumoren. Diese Unterstellung ist zwar längst widerlegt, Krebs trifft Laute wie Leise, Scheue wie Polterer. Trotzdem hält sich der Analogschluss, wer alles "in sich hineinfrisst", wird irgendwann vom Krebs zerfressen.

Das größte Risiko für Krebs ist vielmehr das Alter - wenn man nicht Kettenraucher in einer Asbestfabrik ist. Erst diese Woche hat eine Analyse gezeigt, dass die Mehrzahl der Tumore aus zufälligen Mutationen entsteht, und davon erlebt man mit zunehmendem Alter nun mal mehr. Es gilt das Diktum der Freiburger Krebsärztin Charlotte Niemeyer: "Krebs ist ein unfaires Unternehmen, wenn es trifft, trifft es."

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