Wohnprojekte für Senioren:Unter sich

Lesezeit: 3 min

Unterwegs in Sun City: In die Rentner-Gemeinde in Arizona dürfen nur ältere Menschen ziehen. (Foto: Lucy Nicholson/Reuters)

Im Süden der USA gibt es Siedlungen nur für Menschen im fortgeschrittenen Alter. In Deutschland halten Experten das Konzept nicht für sinnvoll. Und das liegt nicht nur am Wetter.

Von Lars Klaaßen

Beim Wetter fangen die Unterschiede schon an: Ein Ortsname wie "Sun City" wäre in Deutschland gerade in den Herbst- und Wintermonaten wohl doch ein wenig deplatziert. Nicht aber im Süden der USA. Schon seit den späten 1950er-Jahren baut dort der Unternehmer Del Webb sogenannte Sun Citys. Die meisten dieser "Städte" befinden sich im Südwesten der Vereinigten Staaten, wo das Klima warm und mild ist. Die Siedlungen werden als Orte vermarktet, in denen man "aktiv alt wird". Menschen, die dort leben, sind mindestens 55 Jahre alt. Geworben wird unter anderem mit zahlreichen Sport- und Freizeitprogrammen.

In Deutschland wurde ein erstes Seniorendorf dieser Art im Jahr 2010 errichtet. Auf 19 000 Quadratmetern entstand in Meppen im Emsland eine Einfamilienhaus-Siedlung, die ausschließlich für Senioren konzipiert worden ist. Teil des Konzepts waren ein Gemeinschaftshaus und ein Betreuungsstützpunkt samt "Kümmerin", die bei Bedarf Gartenpflege oder Schreibkram erledigt oder zur Apotheke, zum Arzt oder zum Supermarkt fährt. Die im Durchschnitt 90 Quadratmeter großen Bungalows gibt es in verschiedenen Ausführungen, sie sind ebenerdig, barrierefrei und seniorengerecht ausgestattet. Schon bald hieß es: Die 34 Bungalows seien allesamt verkauft.

Im Laufe der Jahre folgten an verschiedenen Orten in Deutschland weitere Siedlungen ähnlicher Art. Eigenständige Dörfer für Senioren - auch wenn der Name es bisweilen suggeriert - gibt es bisher nicht. Zudem ist die Abgrenzung zu einem Wohnpark fließend. Statistisch erfasst sind solche Einrichtungen daher nicht.

Wer hier lebt, muss mindestens 60 Jahre alt und in Rente sein

Insbesondere die erste deutsche Gründung in Meppen verdeutlicht, dass Interessenten sich vor Vertragsabschluss die rechtlichen Rahmenbedingungen genau anschauen sollten: So ist das Betreuungszentrum zwar gebaut, aber nicht in Betrieb genommen worden. Auch das Konzept mit der Kümmerin hat in der Praxis nicht funktioniert. Deshalb wollen Bewohner den Status als Seniorensiedlung aufheben lassen. Dieser sieht vor, dass Käufer und Bezieher der Immobilien mindestens 60 Jahre alt und in Rente sein müssen. Dies senke jedoch den Verkaufswert pro Haus um 30 000 bis 50 000 Euro. Die Bungalows haben bei Erstbezug zwischen 150 000 und 180 000 Euro gekostet.

"Ob im Dorf, im Quartier oder in der Stadt - wie gut sich neue Wohnformen bewähren, zeigt sich am besten in der Praxis", sagt Andrea Beerli, Referentin des Forums Gemeinschaftliches Wohnen, eines überregionalen Zusammenschlusses von Menschen und Organisationen mit Interesse an selbstorganisierten und gemeinschaftlichen Wohnprojekten. Entscheidend für die Qualität eines Projekts seien drei Bereiche, die allesamt hinterfragt werden sollten. Dazu Andrea Beerli: "Erstens, ist die Immobilie geeignet, also etwa barrierefrei? Zweitens, wie ist das Umfeld angebunden, vom Supermarkt bis zu kulturellen Angeboten? Drittens, wie steht es um Pflege, soziale und medizinische Versorgung?"

Bei selbstbestimmtem, gemeinschaftlichem Wohnen unterscheidet Beerli zwischen Formen für ein aktives Leben, also gemeinschaftlichen Wohnprojekten, und Wohnformen bei Pflegebedürftigkeit, also ambulant betreuten Wohngemeinschaften. In beiden Fällen können die Projekte ohne Träger auskommen, die Bewohner können selbst Mieter oder Eigentümer sein.

Beim sogenannten Bielefelder Modell wiederum spielen Wohnungsbaugesellschaften eine zentrale Rolle: Der Vermieter eines ganzen Quartiers bietet älteren Menschen oder Menschen mit Behinderung komfortable und barrierefreie Wohnungen. Kombiniert wird dieses Angebot etwa mit einem Wohncafé als Treffpunkt und Ort der Kommunikation, der allen Menschen in der Nachbarschaft offensteht. Gleichzeitig ist ein sozialer Dienstleister mit einem Servicestützpunkt und einem umfassenden Leistungsangebot rund um die Uhr im Quartier präsent. Alle Mieter können auf die Hilfs- und Betreuungsangebote zurückgreifen, sie müssen diese aber nur im tatsächlichen Bedarfsfall bezahlen. Benannt wurde das Modell nach einem richtungsweisenden Konzept, das die Bielefelder Gesellschaft für Wohnen in den 1990er-Jahren entwickelt hat. Es zog bundesweit Aufmerksamkeit auf sich und wird seitdem auch in anderen Städten umgesetzt.

In Deutschland entstehen Häuser für viele Generationen. Das ist gut für Jung und Alt

Egal, ob zur Miete oder im Eigentum: Wohnkonzepte ausschließlich für Senioren werden wohl auch künftig eine Nische bleiben. "Aus unserer Erfahrung ist es besser, wenn ältere und alte Menschen nicht isoliert leben", sagt Anna Florenske, Sprecherin des Verbands Wohneigentum. "Wir sehen daher das Mehrgenerationen-Wohnen als ideale Form des Zusammenlebens von Menschen an." Es helfe Jung und Alt, wenn mehrere Generationen unter einem Dach oder in unmittelbarer Nachbarschaft lebten, die sich gegenseitig unterstützten. "Es ist nicht nur ein Kostenfaktor, wenn man sich im Alter nicht ausschließlich durch Pflegedienste unterstützen lassen muss, sondern sich zusätzlich auf eine gewachsene Nachbarschaft verlassen kann."

Zu den Projektentwicklern im Wohnbau, die in Mehrgenerationenprojekten eine Zukunft sehen, gehört Bonava. Das Unternehmen stellt bis 2019 im hessischen Nidderau vier Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 79 Eigentumswohnungen und zwei Gewerbeeinheiten fertig. "Wenn die eigene Immobilie Thema wird, sind die meisten Menschen Anfang 30, da denkt kaum jemand übers Alter nach", sagt Bonava-Geschäftsführer Nils Olov Boback. "Umso besser, dass die Bedürfnisse unterschiedlicher Generationen sich baulich sehr gut ergänzen." Ältere Menschen und Menschen, deren Bewegungsfähigkeit oder Gesichtssinn eingeschränkt ist, sind darauf angewiesen, nicht durch Barrieren behindert zu werden. Der Abbau von Barrieren im Wohnumfeld kommt ebenso jungen Familien zugute - zum Beispiel, wenn Wohnungen leicht mit einem Kinderwagen zu erreichen sind. Und mit dem Wetter klappt es in Nidderau auch ganz gut. Die Stadt am nordöstlichen Rand des Rhein-Main-Gebietes ist einer der sonnenreichsten Orte Hessens und war mit 1883 wolkenlosen Stunden 2007 regionaler Spitzenreiter.

Informationen rund um Wohnkonzepte und konkrete Projekte listet das Forum Gemeinschaftliches Wohnen auf: http://verein.fgw-ev.de

© SZ vom 27.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: