Wissenswertes zum Nachlass:Ernstfall Erbschaft

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Wenn Familien erbittert streiten, geht es oft ums Erbe: die größten Fallstricke - und wie sie sich vermeiden lassen.

Von Harald Freiberger

Erben kann schön sein, aber oft fangen damit die Probleme erst an. Jeder Fünfte, der in Deutschland geerbt hat, berichtet, dass es dabei Streit um den Nachlass gab. Das zeigt eine Allensbach-Umfrage unter 1651 Bundesbürgern, die die Deutsche Bank in Auftrag gab. Jeder zweite Deutsche hat schon eine Erbschaft gemacht oder erwartet eine. In den nächsten zehn Jahren werden in Deutschland 3,1 Billionen Euro Privatvermögen vererbt (in Zahlen: 3 100 000 000 000), schätzt das Deutsche Institut für Altersvorsorge.

Der Streit ums Erbe dürfte eher noch zunehmen, weil immer mehr Immobilien vererbt werden und der Trend zur Patchwork-Familie geht. "Sowohl durch die Bewertung der Immobilien als auch durch die Aufteilung unter mehreren Erben werden Erbschaften komplexer", sagte Mario Fritsch, Vermögensberater der Deutschen Bank, am Dienstag, als er die Studie in München präsentierte. Das sind die größten Fallstricke.

Das Problem mit dem Testament

Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, sich ungern mit dem Thema zu befassen. Das ist verständlich, schließlich reden Eltern ungern über den eigenen Tod, und Kinder scheuen erst recht davor zurück, weil sie gierig erscheinen könnten. Nicht immer sei es gut, warnt Fritsch, das Thema offen anzusprechen. "Manchmal brechen dabei Konflikte auf, und man hat nie mehr Ruhe", sagt er. Wichtig sei es aber, ein Testament abzufassen - "spätestens wenn ein Vermögen und Kinder vorhanden sind", sagt der Münchner Rechtsanwalt Wolfram Theiss, der auf Erbrecht spezialisiert ist. Das Testament sollte an unterschiedliche Lebensphasen angepasst werden. Ist kein Testament vorhanden, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Dann erben möglicherweise ungeliebte Verwandte. Das Testament muss handschriftlich abgefasst oder notariell beurkundet sein. Ein unterschriebener Vordruck aus dem Internet ist ungültig.

Das Problem mit dem Schenken

Die Menschen in Deutschland - und damit auch die Erben - werden immer älter. Viele Kinder treten ihr Erbe mit 50 oder 60 Jahren an, einem Alter, in dem sie das Geld nicht mehr so dringend brauchen wie mit 30 oder 40, wenn die Kinder klein sind. "Eine vorzeitige Übertragung des Erbes, um eine junge Familie zu unterstützen, macht auf jeden Fall Sinn", sagt Fritsch. Der Freibetrag liegt für jedes Kind bei 400 000 Euro; so viel kann jeder Elterteil alle zehn Jahre steuerfrei verschenken. Allerdings raten Experten hier auch zur Vorsicht. "Eltern sollten darauf achten, dass sie nicht alles verschenken", sagt Rechtsanwalt Theiss. Das Haus, in dem sie selbst wohnen, und das Geld, das sie zum Leben und für mögliche Pflegekosten im Alter brauchen, sollten in ihrem Besitz bleiben. Sonst könne es zu Konflikten kommen, wenn die beschenkten Kinder das Geld ausgeben.

Das Problem mit der Gerechtigkeit

Oft hören Experten bei Erbstreit den Satz: "Wir wollen nur Gerechtigkeit." Doch das Gerechtigkeitsempfinden ist subjektiv. Wenn Eltern sterben, brechen oft Konflikte aus der Vergangenheit auf. "Kinder, die sich herabgewürdigt fühlen, wollen einen Ausgleich gegenüber Geschwistern, die in ihren Augen bevorzugt wurden", sagt Anwalt Theiss. Ist das Testament nicht klar formuliert, birgt dies Zündstoff. Wichtig ist auch zu wissen, dass im Erbrecht Gerechtigkeit nicht im Vordergrund steht. "Eltern dürfen das Erbe ungerecht verteilen", sagt Theiss. Eine Untergrenze gibt es nur durch den Pflichtteil, den das Kind auf jeden Fall bekommen muss, in der Regel die Hälfte des gesetzlichen Anspruchs.

Das Problem mit der Liquidität

"Eine wichtige Frage ist auch, ob die Erben in der Lage sind, die Kosten zu stemmen", sagt Theiss. Der größte Posten ist meist die Erbschaftsteuer. Vor allem, wenn überwiegend Immobilien vererbt werden, kann es schwierig werden. Beispiel: Der Vater vererbt einem Kind eine Immobilie im Wert von einer Million Euro. Der Freibetrag liegt bei 400 000 Euro, das Kind muss 600 000 Euro zu einem Steuersatz von elf Prozent versteuern, also 66 000 Euro zahlen. Ein anderes Problem ist es, wenn eine Immobilie an mehrere Kinder vererbt wird. Dann muss das Kind, das die Immobilie behalten will, die Geschwister auszahlen. Hat es nicht genug Geld auf der Seite, kann es gezwungen sein, die Immobilie zu verkaufen. "Erblasser und Erbe sollten sich frühzeitig mit dem Thema beschäftigen und möglichst Rücklagen bilden", sagt Theiss.

Das Problem mit dem Partner

Stirbt ein Ehepartner, erbt der andere die selbstgenutzte Immobilie steuerfrei. Problematisch wird es aber, wenn dieser nicht mehr dort leben will, weil sie ihm zum Beispiel zu groß geworden ist. "Dann klingelt die Steuerglocke", sagt Rechtsanwalt Theiss. Vermeiden lässt sich dies etwa durch eine vorzeitige Schenkung mit sogenanntem Nießbrauchvorbehalt. Das heißt: Die Immobilie gehört dem Beschenkten, der Schenkende darf sie aber sein Leben lang nutzen.

Das Problem mit dem Gesetz

"Oft herrschen falsche Vorstellungen über die gesetzliche Lage", sagt Fritsch. Viele kinderlose Ehepartner meinten, wenn einer sterbe, erbe der andere alles. Das stimmt nicht, wenn der verstorbene Partner Eltern beziehungsweise Geschwister hinterlässt. Ihnen steht mindestens ein Viertel des Nachlasses zu.

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