USA: Finanzmarktreformen:Obama fordert die Wall Street heraus

Lesezeit: 2 min

US-Präsident Obama ärgert sich über die Banker: Sie haben in der Krise viel vom Staat gefordert - und torpedieren jetzt "wütend" die Reformen.

M. Koch und N. Piper

US-Präsident Barack Obama forciert die Auseinandersetzung um die Reform des amerikanischen Finanzsystems. In einer Grundsatzrede in New York kritisierte er am Donnerstag "die wütenden Versuche von Lobbyisten, die Reform zu verwässern" und forderte die Wall Street zur Umkehr auf. Unter den Gästen war auch Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein.

Obama betont, dass die Krise durch fehlende Verantwortung sowohl bei Bankern an der Wall Street als auch in der Politik in Washington ausgelöst worden sei. (Foto: Foto: AFP)

Die gut vorbereitete Rede ist Teil einer Strategie, mit der der Präsident in einem zunehmend feindlichen politischen Umfeld sein Programm durchsetzen will. Auch die Gesundheitsreform brachte er nach einer breiten öffentlichen Kampagne durch den Kongress. Die Reform der Finanzmärkte soll bis Ende Mai beschlossen werden, stößt bisher aber auf geschlossenen Widerstand der Republikaner im Senat.

Entscheidende Phase

Jetzt scheint die Opposition allerdings zu bröckeln. Überraschend schlug sich am Mittwoch der republikanische Senator Charles Grassley auf die Seite der Demokraten und stimmte in einem Ausschuss dafür, die bisher weitgehend unregulierten Finanzderivate, wie von Obama verlangt, strengen Regeln zu unterwerfen.

Nach einem Jahr Vorbereitung geht der Kampf um die politischen Konsequenzen aus der Finanzkrise damit nun in die letzte und entscheidende Phase. Obama hatte kurzfristig beschlossen, nach New York zu fliegen, um sich direkt mit der Finanzelite auseinander zu setzen. "Ich bin heute hierher gekommen, um sie aufzufordern, mit uns, nicht gegen uns zu kämpfen", sagte Obama.

"Ich bin hier, weil ich überzeugt bin, dass diese Reformen letztlich nicht nur im Interesse unseres Landes, sondern auch im Interesse des Finanzsektors sind." Obamas Stil war auffallend direkt. Immer wieder versuchte er, den Bankern ins Gewissen zu reden. "Einige an der Wall Street haben vergessen, dass hinter jedem gehandelten Dollar eine Familie steht, die sich ein Haus kaufen, ein Studium finanzieren, ein Geschäft eröffnen oder für den Ruhestand sparen will. Was hier in New York geschieht, hat Konsequenzen im Rest des Landes," mahnte Obama. Die Rede des Präsidenten ist auch Teil des Ringens um die öffentliche Meinung.

Er konterte damit eine Kampagne der Republikaner, die den - sachlich falschen - Vorwurf erhoben, aufgrund des Gesetzes müssten die amerikanischen Steuerzahler immer wieder strauchelnde Banken retten. Das Gegenteil sei der Fall, so Obama.

Derartige Rettungsaktionen würden künftig ausgeschlossen. Zu den wichtigsten Reformelementen gehören ein Mechanismus zur Abwicklung großer Finanzkonglomerate, die von der Pleite bedroht sind, mehr Einfluss von Aktionären auf die Gehälter der Manager, schärfere Regeln für den Handel mit Derivaten und eine unabhängige Behörde zum Schutz der Verbraucher. Besonders diese Behörde, eine Art Zulassungsstelle für Kreditprodukte, wird von der Lobby des Finanzsektors seit Monaten bekämpft. Die Branche fürchtet, dass durch den strengeren Verbraucherschutz die Innovation gebremst und der Kredit für Haushalte und Unternehmen teurer wird.

Grenzen für die Größe

Obama bestand zudem auf der sogenannten Volcker-Regel. Diese hatte der frühere Notenbankchef und heutige Präsidentenberater Paul Volcker vorgeschlagen; sie sieht vor, dass Geschäftsbanken nicht mehr auf eigene Kosten spekulieren können und Investmentbanken faktisch von solchen Instituten getrennt werden, die Kundeneinlagen halten. In welchem Umfang diese Regel gelten soll, ist unklar.

Obama sagte lediglich, es solle "bestimmte Grenzen" für die Größe von Banken geben und für die Risiken, die sie eingehen. Im Gesetzentwurf der Demokraten, der gegenwärtig im Senat liegt, ist lediglich ein Prüfauftrag enthalten. Würde die Volcker-Regel streng angewandt, würden der Wall Street lukrative Geschäftsfelder verloren gehen. So könnten die Banken keine eigenen Hedgefonds mehr betreiben.

Obama und den Demokraten kommt in der Auseinandersetzung die Stimmung in der Bevölkerung entgegen. Der Zorn auf die Wall Street ist groß und begünstigt tiefgreifende Reformen. Die in der vergangenen Woche erhobene Klage der Börsenaufsicht SEC gegen die Investmentbank Goldman Sachs hat die Amerikaner daran erinnert, wie waghalsig an der Wall Street spekuliert wird.

© SZ vom 23.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: