Kreditwürdigkeit der USA:Furcht vor dem Undenkbaren

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Was als Finanzkrise begann, ist zu einer Staatenkrise geworden: Die USA müssen befürchten, ihren immer noch glänzenden Ruf an den Finanzmärkten zu verlieren. Das kann gefährlich werden.

Hans von der Hagen

Man muss schon in die Zeit des Zweiten Weltkriegs zurückschauen, um zu ermessen, was da gerade zu passieren droht: Seit 70 Jahren bewertet die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) die Bonität der Vereinigten Staaten - und durch alle Krisen und Kriege hindurch gab es immer nur die Bestnote: das berühmte Triple A, das AAA.

Die drohende Herabstufung der USA ist der bislang schwerwiegendste Beleg für das Schuldenchaos, in dem nun weite Teile der Welt stecken. (Foto: AP)

Sie signalisiert, dass die USA uneingeschränktes Vertrauen an den Finanzmärkten genießen. Auch andere Staaten und einige wenige Unternehmen werden mit dieser Note bewertet, gleichwohl gelten die USA schon aufgrund der Größe und Bedeutung der Volkswirtschaft als das Bollwerk in der hysterischen Finanzwelt - die amerikanische Staatsanleihe ist sogar in der ökonomischen Lehre der Prototyp der Sicherheit.

Jetzt hat S&P zunächst nur den Ausblick für die Kreditwürdigkeit der USA auf "negativ" gesetzt. Ist das schlimm? Noch nicht. Birgt es eine Gefahr? Ja.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die USA ihre Triple A verlieren, ist nun vergleichsweise groß. Und da an den Finanzmärkten nicht interessiert, was ist, sondern was sein könnte, gab es bereits eine scharfe Reaktion an der Wall Street. Alle wissen: Wenn das Rating tatsächlich zurückgestuft werden sollten, wird es für die Vereinigten Staaten weit schwieriger, das gigantische Defizit zu finanzieren. Viel Kapital würde die USA verlassen und Geld für die US-Regierung teurer werden.

Die drohende Herabstufung der USA ist der bislang schwerwiegendste Beleg für das Schuldenchaos, in dem nun weite Teile der Welt stecken. Nur zu leicht gerät in Vergessenheit, dass die Finanzkrise nicht gelöst wurde, sondern auf Staatenebene weiterläuft.

Dabei geht es in den USA nicht nur um den aktuell zähen Streit um Haushalt und Schuldenobergrenze, der - formell - gar in einer Pleite enden könnte. Vielmehr geht es um das Unvermögen der USA, die vielfältigen Probleme im eigenen Haus in den Griff zu bekommen.

Die Industrie des Landes kann international längst nicht mehr mithalten, die Finanzbranche kämpft mit den Folgen der Vergangenheit und sucht einen Weg in die Zukunft, Kriege an mehreren Fronten wollen finanziert werden, Bundesstaaten wie Kalifornieren rutschten in die Pleite und dann baut US-Präsident Barack Obama auch noch das Sozialsystem aus.

Die einzige Antwort, die die Vereinigten Staaten auf die sich türmenden Probleme gefunden haben, ist: Geld drucken. Längst arbeiten die US-Regierung und die US-Notenbank dabei auf bizarre Weise Hand in Hand: Ein Teil der Staatsanleihen, die Washington auf den Markt wirft, werden von der Federal Reserve aufgekauft. Sie kassiert die Zinsen, die Washington für die Kredite zahlen muss - und überweist sie am Ende als Notenbank-Gewinn an die Regierung zurück.

S&P hat nun signalisiert, dass die USA nicht mehr so wirtschaften dürfen, wie bisher. Würde sich ein weniger angesehenes Land eine solche Finanzpolitik leisten, wären die Investoren längst Hals über Kopf geflohen. Immerhin liegt das Haushaltsdefizit in diesem Jahr bei rund zehn Prozent und der Schuldenberg überragt die Wirtschaftsleistung des Landes fast um das Doppelte. Ein Land wie Portugal wirkt dagegen geradezu proper. Doch die nackten Zahlen sagen vergleichsweise wenig aus - es gibt keine Grenzen, ab denen es automatisch brenzlig wird. Es ist eher wie bei einem Gummiband, dass sich sehr lange dehnen lässt und plötzlich dann einmal reißt. Nur weiß keiner genau, wann das ist.

Unter dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton hatten die Vereinigten Staaten bewiesen, dass sie auch Überschüsse erwirtschaften können. Seinerzeit wurde gar schon darüber spekuliert, bis wann die USA schuldenfrei sein könnten. Natürlich waren das, im Nachhinein gesehen, überflüssige Gedanken, doch diese Zeit belegt, das die Vereinigten Staaten eben auch anders können. Im Moment aber bleibt aber nur - frei nach Frank Zappa - die Feststellung: Die USA sind nicht tot, aber sie riechen etwas merkwürdig.

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