Umbau:Wohnen im Hospital

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Die Beelitz Heilstätten hatten prominente Insassen. Später dienten sie als pittoreske Filmkulisse. (Foto: N/A)

In der früheren Lungenheilanstalt Beelitz Heilstätten wurden Hitler und Honecker behandelt und diverse Filme gedreht. Jetzt ziehen dort Kreative ein.

Von Dirk Engelhardt

Neuerdings lässt sich ein Teil der Krankenhausgebäude von oben begutachten: Vom Baumkronenpfad Beelitz, der sich oberhalb der Wipfel über das Gelände erstreckt, kann man sehen, wie die Natur die alten Gebäude zurückerobert. Durch das morsche Dachgebälk der Häuser wachsen Bäume, die allerdings wegen des fehlenden Erdbodens kleiner als richtige Waldbäume geraten. Die Geschichte der Lungenheilanstalt Beelitz-Heilstätten, etwa 30 Kilometer südwestlich von Berlin gelegen, ist anekdotenreich. Auf rund 200 Hektar Waldland errichteten die Architekten Heino Schmieden und Julius Boethke um 1900 ein Ensemble von 60 Häusern, viele von ihnen mit einer Mischung aus Fachwerk und Klinker. Bauträger war die Landesversicherungsanstalt Berlin.

In Beelitz sollten damals vorwiegend Tuberkulosekranke kuriert werden. Dafür hatten die Häuser große Terrassen, auf die die Betten der Kranken geschoben wurden. 1945 wurde das Gelände von der Roten Armee übernommen. Die Heilstätten hatten prominente Insassen: 1916 wurde hier der Gefreite Adolf Hitler eingeliefert, 1990 wurde Erich Honecker hier wegen einer Krebserkrankung behandelt, bevor er dann nach Moskau ausgeflogen wurde.

Nach dem Mauerfall standen die Gebäude im waldreichen Gelände leer. Aus dieser Zeit resultierten die größten Schäden, denn die Vandalismusrate des ungesicherten Geländes war hoch. Weil die Räume mit ihrem abblätternden Putz auch auf ihre Weise pittoresk wirkten, nutzten einige Filmproduktionen das Gelände als Kulisse: "Der Pianist" von Polanski, "Operation Walküre" mit Tom Cruise und "Krankes Haus" von Wolfgang Becker wurden hier unter anderem gedreht. Für den Horrorfilm "A Cure for Wellness" hat das Studio Babelsberg eigens drei Häuser der Anlage denkmalgerecht sanieren lassen.

Die Bauten waren zu ihrer Entstehungszeit hochmodern und verfügten bereits über Fernwärme. Diese wurde in einem eigenen Heizkraftwerk produziert, das sich heute besichtigen lässt.

Nachdem Investoren in der Vergangenheit erfolglos versuchten, Gebäude der Anlage zu retten und zu renovieren, hat jetzt die Refugium Beelitz GmbH aus Berlin das erste von drei Gebäuden, in denen sich früher das Frauensanatorium befand, fertig renoviert. Die Hälfte der 14 Wohnungen mit Größen zwischen 58 und 300 Quadratmetern sind verkauft, auch sind die ersten Mieter eingezogen. "Wir sehen dies als Pilotprojekt, und sehen das Potenzial vor allem aus dem künstlerischen Bereich", sagt Christian Neumann, der mit der Verimag GmbH die Anlage für den Projektentwickler KW-Development GmbH vermarktet. Zielgruppe sind Kreativschaffende wie Designer, Schriftsteller, Journalisten, Architekten oder Fotografen. Der riesige, ehemalige Speisesaal wird derzeit zum Gemeinschaftsraum mit Kamin umgebaut. Ein Wirtschaftsgebäude, die ehemalige Waschküche, ist noch unsaniert.

Sanatorien gibt es immer noch: Das circa 400 Einwohner zählende Dorf hat drei Kliniken

Die Renovierung erfolgt unter den strengen Bedingungen des Denkmalschutzes. So haben Badezimmer im Obergeschoss schon mal eine Höhe von sechs Metern, durch andere Zimmer verlaufen massive Eisenträger, wieder andere Säle wie die ehemalige Küche sind aufwendig gekachelt. Und von allen Fenstern schaut man, wie vor 100 Jahren, direkt in den Wald hinein. "Der Außenbereich wird parkähnlich angelegt, Hecken oder Zäune sind hier nicht erlaubt", erläutert Neumann den Plan. Während das Dachgebälk starke Verfaulungserscheinungen zeigte und erneuert werden musste, sind die Steinfliesenböden noch sehr gut erhalten. "Wir haben gerettet, was wir konnten", sagt Neumann. Einen gediegenen Eindruck machen die geräumigen Treppenhäuser, die wie früher mit Linoleum ausgelegt sind. An den Wänden wurden die originalen Muster mit Hand aufgetragen. Die Mietpreise bewegen sich zwischen acht und neun Euro kalt. Über Nachfrage kann Neumann nicht klagen, da zum einen der Bedarf aus Berlin sehr hoch ist, zum anderen die Verbindung in die Hauptstadt sehr gut ist.

Beelitz-Heilstätten ist nach wie vor ein Ort für Sanatorien: Das um die 400 Einwohner zählende Dorf hat drei Kliniken, eine Parkinson-Klinik, eine Kinder- und Jugendklinik sowie eine neurologische Reha-Klinik. An den Wochenenden hat sich das Dorf zum Besuchermagneten entwickelt, vor allem durch den vor zwei Jahren fertiggestellten Baumkronenpfad, der über das mit Bäumen bewachsene Dach eines verfallenen Sanatoriumsgebäudes führt. Auch ein Wirtshaus gibt es auf dem Areal; in der ehemaligen Desinfektionsanstalt residiert heute das Landhotel Gustav, das regionale Kost anbietet.

© SZ vom 18.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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