Thermografie:Farbe bekennen

Lesezeit: 3 min

Wärmebildkameras machen Energie-Schlupflöcher in Fassaden sichtbar. Für Hausbesitzer, die sanieren wollen, können die Aufnahmen eine praktische Hilfe sein.

Von Ralph Diermann

Grillkohle glimmt orange, Kerzen brennen gelb. Und Lagerfeuer zaubern gleich eine ganze Farbpalette, vom glühenden Rot bis zum gleißenden Weiß. Die Hitze von Glut und Feuer ist so groß, dass man sie nicht nur fühlen, sondern auch sehen kann. Das gilt jedoch nur für Temperaturen von circa 500 Grad Celsius und mehr. Darunter bewegt sich die Wärmestrahlung im infraroten Bereich, der vom menschlichen Auge nicht erfasst werden kann. Doch Infrarotstrahlung lässt sich auch sichtbar machen: Thermografiekameras bilden anhand einer Farbskala ab, wie warm ein Gegenstand ist. Das macht sie zu einem wichtigen Instrument für Energieberater und andere Sanierungsexperten. Sie können mit den Geräten darstellen, welche Temperatur die Fassaden beheizter Gebäude haben.

Die Bilder geben Aufschluss über die Energieverluste durch Fassaden, Fenster und Türen. Wärmebrücken an Balkonen oder Rollladenkästen, schadhafte Dämmungen und andere Wärmelecks erscheinen in den Aufnahmen rot oder orange. Bleiben die Bauteile kühl, schimmern sie grün oder blau - alles in Ordnung. "Hauseigentümer erhalten dadurch eine erste Orientierung über die Dringlichkeit einer energetischen Sanierung", erklärt Petra Hegen von "Zukunft Altbau", ein Informationsprogramm des Landes Baden-Württemberg.

Und auch bei Neubauten könne eine Thermografie mitunter sinnvoll sein, meint Philipp Mahler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen - dann nämlich, wenn Bauherren oder Käufer den Verdacht haben, dass die energetische Qualität der Immobilie nicht dem entspricht, was ihnen versprochen wurde. "Wärmebilder helfen zu erkennen, ob beim Bau oder einer Sanierung geschlampt wurde", sagt der Bautechnik-Experte.

Um aussagekräftige Thermografie-Aufnahmen anfertigen zu können, muss es drinnen warm und draußen kalt - maximal fünf Grad Celsius - sein. In der Regel werden die Bilder nach Einbruch der Dunkelheit gemacht. Dann werden die Schwachstellen der Bauteile auf den Bildern am besten sichtbar. Doch längst nicht jede Herbst- oder Winternacht eignet sich für den Fototermin: Allzu sonnig darf der Tag nicht gewesen sein, da die Fassaden sonst Solarwärme speichern, was das Ergebnis verfälscht. Gleiches gilt für starken Wind, der die Außenwände kühlt. Die Fassaden erscheinen auf den Bildern dann oft blau oder grün, selbst wenn sie viel Heizenergie entweichen lassen.

Auch Aufnahmen aus der Luft können zeigen, welche Immobilien schlecht gedämmt sind. Üblicherweise werden Wärmebilder aber vom Boden aus gemacht. (Foto: Eurosense)

Noch aufschlussreicher wird eine Thermografie, wenn neben den Außen- auch Innenaufnahmen angefertigt werden. "Einige Schwachpunkte lassen sich nur mithilfe von Bildern erkennen, die im Gebäude gemacht werden. Das gilt vor allem für undichte Stellen, durch die kalte Luft ins Haus strömt", sagt Mahler. Auch Mängel am Dach sind von außen meist nicht erkennbar. Darüber hinaus können Innenaufnahmen helfen, Feuchteschäden im Haus zu erkennen. So verraten sie zum Beispiel, ob die Heizschlangen einer Fußbodenheizung Löcher haben.

So anschaulich die bunt gefleckte Darstellung eines Gebäudes auch sein mag - die Interpretation der Aufnahmen sei eine anspruchsvolle Aufgabe, betont Hermann Dannecker vom Deutschen Energieberater-Netzwerk (DEN). "Thermografiefotos sind nicht selbsterklärend", sagt der Bauingenieur aus dem schwäbischen Schömberg. "Hier kann man vieles falsch machen." Um die Schwachstellen einer Immobilie zu erkennen, seien fundierte Kenntnisse der Messtechnik, Baukonstruktion und Bauphysik nötig. Daher sollte die Auswertung - wie auch die Aufnahme selbst - Spezialisten übertragen werden. Philipp Mahler sieht das ähnlich. "Die Thermografie allein hilft den Hausbesitzern nicht weiter", erklärt er. "Es kommt immer auf die Analyse an. Die sollten sie Experten überlassen." Eine Online-Datenbank der Deutschen Energie-Agentur (dena) hilft Eigentümern, qualifizierte Fachleute in ihrer Nähe zu finden.

Energieberater, Verbände und Versorger bieten Wärmebildaufnahmen an

Eine umfassende Beratung können die Wärmebilder ohnehin nicht ersetzen, meint Petra Hegen von "Zukunft Altbau". "Die Fotos sagen uns nicht, was wir tun sollen, sie zeigen nur die Defizite der Gebäudehülle auf", erklärt sie. Welche Sanierungsschritte wirklich nötig seien und in welcher Reihenfolge, könne nur nach einer individuellen Analyse eines Experten festgelegt werden. Sollte eine aufwendigere Modernisierung nötig sein, ist es sinnvoll, nach Abschluss der Arbeiten eine zweite Thermografie durchzuführen. Damit können die Eigentümer überprüfen, ob die Maßnahmen die gewünschten Ergebnisse gebracht haben.

Neben Energieberatern bieten auch Immobilienverbände, Bausparkassen oder Energieversorger an, Wärmebilder zu erstellen. Dabei arbeiten sie meist mit Dienstleistern zusammen. Die Preise unterscheiden sich sehr: Während etwa RWE für mindestens sechs Aufnahmen und eine Auswertung 129 Euro in Rechnung stellt, verlangen die Stadtwerke München 399 Euro. Dafür erhalten die Kunden neben einer detaillierten Analyse aber acht bis zehn Bilder, Innenaufnahmen inklusive. Zudem verweist der kommunale Versorger auf die besonders hohe Auflösung der verwendeten Kameras.

Billigangebote bedeuten aber nicht zwangsläufig schlechte Qualität, meint Mahler von der Verbraucherzentrale NRW - die wie in den Vorjahren auch im kommenden Winter selbst Thermografien anbieten wird. Wie aussagekräftig die Aufnahmen seien, hänge unter anderem davon ab, wie gut die Temperaturskala austariert sei. "Wichtig ist, dass die Temperaturunterschiede genau zu erkennen sind und dass die Einstellung der Skala sauber dokumentiert ist", erklärt Mahler. Er rät Hausbesitzern, die Angebote im Vorfeld genau zu prüfen und zu vergleichen. "Wann und wie soll die Thermografie erfolgen? Wie viele Aufnahmen werden gemacht? Nur von außen oder auch von innen? Und ganz wichtig: Gibt es eine Auswertung - und wenn ja, wie umfangreich und in welcher Form? Das sind Anhaltspunkte für die Qualität eines Angebots."

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: